- Was genau ist Homöopathie?
- Wie funktioniert das mit der Potenzierung?
- Hat Wasser ein Gedächtnis?
- Ist Homöopathie (wissenschaftlich) plausibel?
- Ich bin verwirrt: Homöopathie wirkt nicht, oder doch ein bisschen?
- Sind KritikerInnen voreingenommen?
- „Die Schulmedizin ist kalt“, „HomöopathInnen nehmen sich mehr Zeit“. Stimmt das?
- Stimmt es, dass die Homöopathie den ganzen Menschen behandelt und die „gewöhnliche“ Medizin nur die Symptome? Kann moderne Medizin überhaupt kausal behandeln und die Ursachen von Krankheiten angehen?
- Was ist der Placebo-Effekt? Bedeutet Placebo Selbstheilung?
- Braucht Homöopathie überhaupt wissenschaftliche Forschung?
- Hilft es nicht, dann schadet es auch nicht? / Wer heilt hat Recht.
- Warum scheint es, dass Homöopathie auch bei Kindern und Tieren funktioniert?
- Versucht die Pharmalobby positive Studien über „alternative“ Medizin wie z.B. Homöopathie zu unterdrücken?
- Ist Homöopathie „natürlich“ und kann man sie als Naturheilkunde bezeichnen?
- Wirkt Homöopathie ähnlich wie eine Impfung?
- Darf jede/r Homöopathie betreiben?
- Warum wird Homöopathie von gebildeten ÄrztInnen und ApothekerInnen angeboten wenn sie wirkungslos ist?
ABSCHLUSS:
Was kann die Medizin von der Homöopathie lernen?
Wie können sie uns helfen?
Einzelnachweise und vertiefende Lektüre
EINLEITUNG
HeilerInnen, die keine fundierte medizinische Ausbildung hatten, nannte man früher „Kurpfuscher“ und „Quacksalber“. Heute spricht man von sanfter Medizin, Erfahrungsheilkunde, Naturmedizin, von unkonventioneller oder biologischer Medizin, Komplementär- oder Alternativmedizin: Begriffe, die suggerieren, dass es hier um Verfahren mit speziellen, natürlich-biologischen Merkmalen geht, die in der „verstaubten Schulmedizin“, wie sie abwertend genannt wird, nicht vorhanden seien. Solche Abgrenzungsversuche sind in keiner Weise angebracht, denn der Unterschied zur wissenschaftlichen Medizin liegt ganz woanders. Werden in der evidenzbasierten Medizin die Verfahren immer wieder mit wissenschaftlichen Methoden überprüft und korrigiert, lehnen VertreterInnen der Paramedizin sorgfältige wissenschaftliche Untersuchungen überwiegend ab: Sie seien für sie „unangemessen“. Aber wie anders kann man wirksame Verfahren von unwirksamen unterscheiden? Wie geht man mit widersprüchlichen Aussagen um? Diese Frage, und noch viele mehr, wollen wir hier beantworten.
Es handelt sich hierbei um eine Lehre, welche um 1800 entstand und auf Samuel Hahnemann zurückgeht. Heute gibt es dutzende oftmals widersprüchlicher Ableger. Die Hauptprinzipien sind Ähnliches heilt Ähnliches (das sog. Simile-Prinzip) und die Annahme, spezielle Verdünnungen einer Arznei könnten ihre Wirkung verstärken. Homöopathie ist ein typisches Beispiel für Paramedizin, welche echte Medizin zwar imitiert, sich aber nie in einem akademisch-wissenschaftlichen Rahmen bewegt. Homöopathie ist nicht Pflanzenmedizin!
Wie funktioniert das mit der Potenzierung?
Die Arznei wird auf genau festgelegte Weise in jeder Verdünnungsstufe durchgeschüttelt. Dabei soll sich etwas vom „geistigen Wesen“ der Ursubstanz auf das Lösungsmittel (Wasser oder Alkohol) übertragen, Schritt für Schritt Stoffliches in Unstoffliches umwandeln, etwa in „heilsame Schwingungen“. Das Potenzieren erfolgt heutzutage in Dezimal- oder Centesimalschritten, aber Hahnemann selbst bevorzugte gar 50.000er Schritte.
Die Potenz D3 enthält meist etwa 1g Wirkstoff pro Liter. D20 entspricht bereits einer Verdünnung von 1:1020, ungefähr so viel wie eine Tablette Aspirin, gelöst und gleichmäßig verteilt im gesamten Atlantik. Denn, so Hahnemann: Je mehr verdünnt, desto stärker die Heilkraft. HomöopathInnen verwenden Verdünnungen bis zu 1:10120, ja 1:101500!
Warum werden Verunreinigungen der Ursubstanz und des Lösungsmittels, darunter sind immer auch Schwermetalle, Urin und Fäkalien, nicht „potenziert“?
Wasser besteht bekanntlich aus H2O-Molekülen die sich im flüssigen Zustand frei in der Lösung bewegen können. Aufgrund der Ladungsverteilung innerhalb des Moleküls kommt es allerdings zur Assoziation einzelner Moleküle miteinander über sog. Wasserstoffbrücken. Die entstehenden Strukturen aus mehreren Molekülen werden Cluster genannt. Dieser Effekt wird von parawissenschaftlichen und esoterischen AutorInnen und Unternehmen (z.B. Masaru Emoto, Grander) immer wieder für allerlei abstruse Behauptungen herangezogen. Zentral ist dabei die Idee über die Struktur der Cluster werde Information im Wasser konserviert. Auch einige HomöopathInnen behaupten, die „geistige“ Information werde über diesen Mechanismus transportiert. Heute ist bekannt, dass Clusterstrukturen mit einer Lebensdauer von nur wenigen Pikosekunden (0,000000000001 Sekunde!) keine Information speichern geschweige denn weitergeben können. Weitere wissenschaftliche Einwände (4) gegen diese Vorstellung verweisen das Konzept klar in den Bereich der Pseudo- bzw. Parawissenschaft.
Ist Homöopathie (wissenschaftlich) plausibel?
Nachdem wir uns mit der Herstellung von Homöopathika beschäftigt haben, dürfen wir uns zu Recht diese Frage stellen. Was bemerkenswert ist: Auch wenn die meisten HomöopathInnen an die Wirkung glauben, geben sie im Allgemeinen zu, dass die Homöopathie nicht sehr wahrscheinlich ist.
MedizinerInnen teilen die Ansicht: „Es ist in der Tat nur möglich, an eine Wirkung der Homöopathischen Präparate zu glauben, wenn sämtliche Naturgesetzte, deren Erkenntnis sich die Menschheit erworben hat, über Bord geworfen werden“ (2, p.33). In so einem Fall kann nur gelten, dass außerordentliche Behauptungen auch außerordentliche Beweise verlangen. Leider sind die meisten homöopathischen Studien lediglich von außergewöhnlich niedriger Qualität (und überwiegend negativ).
Ich bin verwirrt: Homöopathie wirkt nicht, oder doch ein bisschen?
Auf den Punkt gebracht ist es recht simpel, Homöopathie wirkt nicht. Alle ihr zu Grunde liegenden Annahmen sind falsch. Man beachte aber: relativ unverdünnte Mittel können konventionelle (Neben)wirkungen haben und werden manchmal fälschlicherweise als „Homöopathika“ angeboten, was der Grundidee der Homöopathie zuwiderläuft, welche erst der zunehmenden Verdünnung nennenswerte Wirkung zuschreibt. Mehr dazu findet sich in diesem Artikel (Herausgeber: Arbeiterkammer, Verfasser: DDr. Ullrich Berger) bzw. in den weiter unten genannten Büchern.
Was manche MedizinerInnen meinen, wenn sie sagen „vielleicht wirkt Homöopathie doch ein bisschen“, ist der Placebo-Effekt. Leider ist das oft verwirrend für interessierte Laien: eine unspezifische Placebowirkung gibt es auch bei normalen Medikamenten und Behandlungen. Homöopathie ist zudem ein besonders schlechtes Placebo, ärztliche Zuwendung per se ein außergewöhnlich effektives.
Wenn ihnen ein Arzt oder eine Ärztin Homöopathika verschreibt, und es ihnen anschließend besser geht, liegt das meist an ärztlicher Beachtung und Anteilnahme, Selbstheilungskräften, Zufall, Einbildung, Beratung durch das Personal (z.B. die Empfehlung viel zu trinken und sich zu schonen kann bereits heilsam sein), dem natürlichen Krankheitsverlauf, etc. nur nicht an den kleinen, weißen Kügelchen.
Sind KritikerInnen voreingenommen?
Keineswegs. Homöopathische Hochpotenzen sind billig, relativ sicher und könnten Millionen Menschenleben retten (wer könnte sich daran stören?), hätten sie eine Wirkung. Dem ist leider nicht so.
„Die Schulmedizin ist kalt“, „Homöopathen nehmen sich mehr Zeit“. Stimmt das?
Es gibt viele gute ÄrztInnen die sich Zeit für ihre PatientInnen nehmen und ihnen zuhören. Leider stimmt es, dass so etwas heute zur Ausnahme geworden ist. Das liegt aber viel mehr am Geldmangel in unserem Gesundheitssystem als an mangelnder Menschlichkeit seitens der ÄrztInnen.
PraxisärztInnen die sich wirklich viel Zeit für ihre PatientInnen nehmen, könnten kaum ihre Praxis erhalten, da die Bezahlung durch die Krankenkassen keine Rücksicht auf detaillierte Patientengespräche nimmt. Wie sie sicher wissen, werden z.B. ÄrztInnen in Krankenhäusern zur schnellen Arbeit und Überstunden förmlich gezwungen – auch wenn sie sich mehr Zeit für den Einzelnen nehmen möchten. Im Gegensatz dazu wird das Gespräch mit HomöopathInnen mehr als fair bezahlt: es sollte nicht wundern dass sich Homöopathen Zeit nehmen wenn sie besser bezahlt werden als PrivatärztInnen.
Tatsächlich sollte man die Homöopathie vom Zeitaufwand und den Kosten eher mit Gesprächs-, Psycho- und Physiotherapie oder Massage, Ernährungs- oder Lebensstilberatung vergleichen. Oder auch mit PrivatärztInnen. Mit der Ausnahme, dass diese Therapien deutlich wirksamer sind wenn sie korrekt angewendet werden.
Stimmt es, dass die Homöopathie den ganzen Menschen behandelt und die „gewöhnliche“ Medizin nur die Symptome? Kann moderne Medizin überhaupt kausal behandeln und die Ursachen von Krankheiten angehen?
Es ist vielmehr umgekehrt. Impfungen, Organtransplantationen oder Hygienemaßnahmen sind alles Errungenschaften der Medizin, welche nicht nur hunderte Millionen Menschenleben gerettet haben, sondern auch typische Beispiele für kausale Behandlungsmethoden sind.
Die kausale Ursache vieler Krankheiten ist bzw. war mangelnde Hygiene. Wenn Hygienemaßnahmen versagen, stehen in vielen Fällen wirksame Antibiotika zur Verfügung, die wiederrum an der Ursache ansetzen: dem Wachstum pathogener Bakterien. Auch wird zusätzlich Bettruhe, Entspannung und gesunde Ernährung verordnet, somit der Mensch als solcher unterstützt und behandelt. Und das ist nur ein Beispiel unter vielen.
Es gibt viele wissenschaftsbasierte Behandlungsmethoden die den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Denken sie an Gesprächs-, Psycho- und Physiotherapie oder Massage, Ernährungs- und Lebensstilberatung. Tabletten sind nur einer von vielen Grundpfeilern der modernen Medizin.
Die Prüfung von Homöopathika und das Weltbild der klassischen Homöopathie sind, im Gegensatz zur Wissenschaftsmedizin ausschließlich symptomorientiert (mehr dazu finden sie in [2]). HomöopathInnen die versuchen den ganzen Menschen zu behandeln tun dies trotz und nicht wegen ihrer Ausbildung.
Was ist der Placebo-Effekt? Bedeutet Placebo Selbstheilung?
Der Placebo-Effekt ist eigentlich ein buntes Vielerlei: Selbstheilungsprozesse stellen nur eine kleine Facette dar. Unter Placebo fallen alle unspezifischen Effekte die eine Heilung bewirken oder vortäuschen können, unspezifisch heißt: Effekte und Wirkungen die unabhängig vom verabreichten „Medikament“ sind.
Viele Placebo-Effekte sind nur statistische Illusion. Stellen sie sich eine typische Homöopathiestudie vor. Dabei sollen Menstruationsbeschwerden behandelt werden (es könnten auch Kopfschmerzen, Durchfälle und anderes sein). An der Studie nehmen Frauen teil die mittelschwere bis schwere Schmerzen haben, was klug ist. Schließlich kann man bei geringen Schmerzen schwieriger eine Veränderung feststellen und es besteht weniger Handlungsbedarf. Es ergibt sich das Problem, dass wir Frauen am Höhepunkt ihrer Menstruationsbeschwerden behandeln. Wir könnten sie mit Zwiebelwasser behandeln und ihre Beschwerden würden auf natürliche Weise irgendwann abklingen. Dieses Problem, auch bekannt als Regression zum Mittelwert, kann genauso einen Effekt bei der Selbstmedikation vortäuschen, sei es durch Zwiebelwasser oder Homöopathie.
Braucht Homöopathie überhaupt wissenschaftliche Forschung?
Das Argument, Homöopathie sei „ein Gebiet, wo man mit streng wissenschaftlicher Methodik nicht vorgehen könne“, ist falsch. Der Erfolg jeder Therapie lässt sich objektiv statistisch prüfen, aber nur in Doppelblind-Experimenten, bei denen der Placebo-Effekt quasi „heraus gekürzt“ wird. Prinzipiell ist das selbst bei Operationsmethoden möglich, welche ja noch viel komplizierter und individueller sind als eine homöopathische Behandlung, was das Argument Homöopathie sei zu kompliziert für kontrollierte Studien entkräftet. Im Idealfall sollte selbst der/die TherapeutIn nicht wissen, dass er oder sie einen Test durchführt, was in der Praxis schwer realisierbar ist. Da Menschen allein aufgrund des unspezifischen(!) Placebo-Effekts gesunden können, muss man mindestens, zufallsverteilt, zwei gleichartige PatientenInnengruppen bilden:
Die eine erhält die zu prüfende Behandlung, die Kontrollgruppe eine Scheinbehandlung oder ein Placebo-Präparat. Damit beide Gruppen ansonsten völlig gleich behandelt werden, dürfen weder die PatientenInnen noch die TherapeutInnen wissen, wer die echte Arznei und wer das Placebo erhält. Damit ist der Placebo-Effekt in beiden Gruppen gleich, und Unterschiede zwischen ihnen müssen dann allein auf die Behandlung zurückgehen. Solche objektiven Tests, bei der wissenschaftlichen Medizin Standard, verliefen bisher für die Homöopathie negativ (6, 7, 9-11, 13). Von AußenseitermedizinerInnen werden sie meist als unangemessen abgelehnt. Stattdessen verweist man auf eindrucksvolle Fallbeispiele von geheilten PatientInnen. Diese anekdotischen Belege (positive Einzelfälle) sind zwar emotional überzeugend, aber ohne jede Beweiskraft. Es bleibt völlig unklar, welchen Anteil der Placebo-Effekt hatte, und es wird verschwiegen, bei wie vielen PatientInnen die Behandlung erfolglos war.
Hilft es nicht, dann schadet es auch nicht? / Wer heilt hat Recht?
Was spricht eigentlich dagegen, medizinische Außenseiterverfahren in der Praxis einzusetzen, solange sich ihr Placebo-Effekt vorteilhaft auswirkt? Wer hier nach dem Motto urteilt „Wer heilt, hat Recht“, der irrt, aus zumindest drei Gründen.
Der Placebo-Effekt der paramedizinischen Behandlung ist untrennbar gekoppelt mit seinem negativen Gegenspieler, dem „Nocebo-Effekt“, und der geht zu Lasten der konventionellen Wissenschaftsmedizin. Er bewirkt, dass anerkannte, bestens erprobte Arzneien weniger gut wirken, wenn der/die PatientIn Angst vor der „schädlichen Chemie“ hat oder dem Arzt, bewusst oder unbewusst, misstraut.
Eine weitere große Gefahr ist, dass bei ernsten Erkrankungen die Therapie oft fahrlässig verzögert wird. Immer wieder mussten PatientenInnen sterben, weil sie eine lebensrettende konventionelle Behandlung versäumten (8-10). Weitere Fälle sind auf dieser Internetseite zusammengefasst.
Weiters können „niedere Potenzen von Homöopathika (D1-D4)…erhebliche unerwünschte oder toxische Wirkungen auslösen, wenn sie z.B. stark wirksame Alkaloide (Aconitin, Atropin) enthalten, auch können sie u.U. kanzerogen wirken (z.B. Arsenicum album, Euphorbia, Daphne).“ (3)
Zumeist sind homöopathische „Medikamente“ aber frei von Wirkung und Nebenwirkung (Hochpotenzen), was ein weiteres Risiko birgt: oft wird harmlose Homöopathie von PatientInnen mit Pflanzenheilkunde und „alternativen“ Produkten verwechselt. Diese können jedoch toxische Nebenwirkungen haben. Erst kürzlich verloren hunderte Personen ihren Geruchssinn wegen eines Nasensprays, der Zink in einer Verdünnung enthielt, die nach homöopathischer Nomenklatur D1 bzw. D2 entspricht.
Warum scheint es, dass Homöopathie auch bei Kindern und Tieren funktioniert?
Bei Kleinkindern und Tieren gebe es keinen Placebo-Effekt, also sei in diesen Fällen der Behandlungserfolg direkt abzulesen? Weit gefehlt! Selbstverständlich gibt es Placebo-Effekte in Form von Suggestion auch bei Kindern. Jeder Kinderarzt weiß, dass man die Eltern in die Behandlung einbeziehen muss: Sie sind HauptempfängerInnen der psychosozialen Botschaft und geben sie als ihre Erwartungshaltung unbewusst an das Kind weiter.
Placebo-Effekte wies man in Doppelblindversuchen auch bei Haustieren nach. Diese können die Körpersprache vertrauter Bezugspersonen lesen. Erleben sie deren Vertrauensverhältnis zu dem ihnen unbekannten Therapeuten, so reagieren sie konditioniert im Sinn einer Placebowirkung. Vielleicht kennen sie noch den Pawlow‘schen Hund, ein einfaches Beispiel für Konditionierung. Wird das Placebo-Präparat auch noch mit liebevoller Hinwendung verabreicht, hat die Heilung gute Chancen (5, 6). Zusätzlich führt die Erwartungshaltung des behandelnden Arztes bei diesem selbst zu „selektiver Wahrnehmung“: Er neigt dazu, Heilerfolge zu diagnostizieren, die er unbewusst zu finden erwartet.
Ähnlich stellt sich der Placebo-Effekt bei ohnmächtigen oder komatösen Patienten dar. Wenn das Krankenhauspersonal ein Scheinpräparat verabreicht, wenden sie auch mehr Zeit für den Kranken auf; für dessen Pflege, Überwachung der Geräte und vielleicht bemerken sie einen Ausschlag, der auf Medikamentennebenwirkungen hindeutet, vielleicht eine Änderung im Zustand des Patienten, die einen Therapiewechsel erfordert.
Versucht die Pharmalobby positive Studien über „alternative“ Medizin wie z.B. Homöopathie zu unterdrücken?
Wie häufig haben sie ähnliche Sätze wie „die Pharmaindustrie kauft sich ihre Studien“ oder sie „bekämpft Homöopathie indem sie negative Studien herausgibt“ gehört? Sicherlich oft, wenn sie sich mit dem Thema auseinander setzen. Es könnte ja sein, dass MedizinerInnen, Lehrbücher und ExpertInnen die Homöopathie ablehnen, weil sie von der Pharmaindustrie belogen wurden.
Was viele nicht wissen: Die Homöopathie ist heute eine mächtige und einflussreiche Industrie mit Milliardenumsätzen. Die drei größten Firmen in Mitteleuropa setzen allein mit homöopathischen Präparaten über 800 Millionen Euro pro Jahr um (1, p. 172, p. 227), was homöopathische Dienstleistungen und andere Produkte nicht mit einschließt. Auch die klassische Pharmaindustrie ist längst auf den Zug der „alternativen“ und „sanften“ Medizin aufgesprungen.
Außerdem gibt es attraktive Ausnahmeregelungen für die Homöopathieindustrie. Beispielsweise muss die Wirksamkeit(!) der Präparate nicht nachgewiesen werden. Und da Hochpotenzen am Ende nur Zucker, Wasser oder Alkohol enthalten, müssen Hersteller solcher Mittel nie fürchten wegen Nebenwirkungen verklagt zu werden.
Natürlich soll man kommerzielle Interessen, die im Gesundheitswesen eine Rolle spielen, kritisch hinterfragen. Diese Interessen vorfolgen aber nicht nur Unternehmen die im Bereich der evidenzbasierten Medizin tätig sind, sondern auch die Hersteller von „alternativen“ Präparaten.
Ist Homöopathie „natürlich“ und kann man sie als Naturheilkunde bezeichnen?
Überraschenderweise ist die Antwort Nein. Klassische Naturheilmethoden wie Pflanzenheilkunde blicken auf eine jahrtausendealte Tradition zurück. Doch die Homöopathie wurde erst vor ca. 200 Jahren erfunden und war dabei nie besonders natürlich: sie verwendet schädliche Schwermetalle, Extrakte und Verdünnungen die so nicht in der Natur vorkommen. Darüber hinaus ist die Herstellung meist „chemisch-pharmazeutisch“ und industriell.
Außerdem muss betont werden, dass natürliche Substanzen mindestens so gefährlich (oder nützlich) sein können wie synthetische, z.B. sind die tödlichsten bekannten Gifte bakterieller und pflanzlicher Herkunft. Deshalb ist die Antwort auf diese Frage eigentlich irrelevant.
Wirkt Homöopathie ähnlich wie eine Impfung?
Die Ähnlichkeit ist nur oberflächlich. Eine Impfung beruht auf einer gewöhnlichen Dosis-Wirkungs-Beziehung, die aber von der Homöopathie nicht anerkannt wird. Kein Impfstoff führt auch zu keiner Wirkung.
Nebenbei sei bemerkt, dass viele Homöopathen Impfungen ablehnen.
Darf jede/r Homöopathie betreiben?
In Österreich wird Homöopathie von speziell ausgebildeten ÄrztInnen ausgeübt, die nach dem Medizinstudium und der Ausbildung zum Allgemeinmediziner oder zur Fachärztin noch eine drei- bis sechsjährige Zusatzausbildung erwerben. Eine einheitliche Regelung der Ausübung für den europäischen Raum gibt es derzeit (Stand: 02/2013) nicht. Auch ist es Hebammen in ihrem Berufsfeld erlaubt Homöopathie unter Aufsicht eines Arztes oder einer Ärztin anzuwenden.
In Deutschland dürfen ÄrztInnen und HeilpraktikerInnen Homöopathie ausüben. Die Prüfung zum Heilpraktiker beinhaltet keinen praktischen Teil und es bedarf dazu keiner medizinischen und fachlichen Ausbildung, es muss also keine Lehre im Sinne einer Ausbildung durchlaufen werden. Weiters werden keine Fachqualifikationen geprüft.
Warum wird Homöopathie von gebildeten Ärzten und Apothekern angeboten wenn sie wirkungslos ist?
Es ist so einfach, auch intelligente Menschen können sich täuschen. Genauer gesagt, Menschen täuschen sich weil sie intelligent sind. Lassen sie uns etwas ausholen um das zu erklären: unter Biologen ist unbestritten, dass unsere Intelligenz und unser Sehvermögen zum absolut Besten zählt was die Evolution hervorgebracht hat. Dennoch kann man ganze Bücher mit optischen Täuschungen füllen und dasselbe gilt auch für andere Sinnestäuschungen. Eindrucksvoll wird das bestätigt wenn sie einem Magier oder Illusionisten bei der Arbeit zuschauen, selbst wenn sie wissen wie der Trick funktioniert sieht es immer noch aus wie Magie.
Vereinfacht gesagt: Die Evolution hat den Menschen mit der Fähigkeit ausgestattet Muster zu erkennen um schnell und mit nur wenig Information handeln zu können. Leider sind viele dieser Muster Illusionen, z.B. die sogenannte Glückssträhne beim Würfelspiel oder die genauso zufällige Heilung nach Aufnahme bestimmter Mittel (z.B. Homöopathischer Kügelchen, Cremes…). Aus Sicht der Evolution ist es besser vor einem eingebildeten Raubtier zu fliehen als die Umgebung lange und systematisch zu analysieren – und dabei gefressen zu werden. Nur mit Werkzeugen der Wissenschaft können wir solche Fehler minimieren: Statistik, systematische Untersuchungen und Doppelblindversuche. Die universelle Sprache dieser wissenschaftlichen Untersuchungen ist die Mathematik.
ABSCHLUSS: Was kann die Medizin von der Homöopathie lernen?
Kranke homöopathisch zu behandeln, scheint der wissenschaftsmedizinischen Strategie zu entsprechen, nichts zu tun, abzuwarten, bis sich der Organismus selbst hilft, und dabei den Placebo-Effekt optimal einzusetzen – was manchmal sinnvoll ist. Einen wichtigen Aspekt der Paramedizin kann man darin sehen, dass diese, wie die Erfolge zeigen, den Placebo-Effekt besser einzusetzen scheint als die Wissenschaftsmedizin. Dieser Pluspunkt ist natürlich nicht homöopathiespezifisch. Hier muss die Wissenschaftsmedizin Konsequenzen ziehen und sich ihren Patienten ähnlich intensiv zuwenden, wie das HomöopathInnen tun.
Viele MedizinerInnen würden das auch tun! Leider ist die Bezahlung ausführlicher Gespräche oftmals unfair niedrig. In den meisten öffentlichen Krankenhäusern ist eine derart intensive Beschäftigung mit dem Patienten durch Personalmangel schlicht unmöglich.
Homöopathen und andere AußenseitermedizinerInnen sind in aller Regel keine Scharlatane, auch wenn die Zukunft weiterhin bestätigen sollte, dass ihre Erfolge ausschließlich auf dem Placebo-Effekt beruhen. Denn die meisten von ihnen sind „shut-eyes“: Menschen, die von der Wirksamkeit ihrer Behandlungsmethode fest überzeugt sind.
Es geht nicht darum, Phänomene zu ignorieren, die, wären sie real, von der heutigen Wissenschaft nicht erklärt werden könnten. Und auch nicht darum, Kranken, denen die Wissenschaftsmedizin nicht helfen kann, den Placebo-Effekt paramedizinischer Behandlungen vorzuenthalten. Er sollte genutzt werden, aber nicht von Scharlatanen und „shut-eyes“, sondern von WissenschaftsmedizinerInnen, die das Vertrauen ihrer PatientInnen genießen und denen es mit psychosomatischen Methoden gelingt, natürliche Selbstheilungsmechanismen optimal zu aktivieren. Praktiziert ein/e WissenschaftsmedizinerIn „alternative Medizin“, besteht allerdings die Gefahr, dass die PatientInnen manipuliert werden: Sie verwechseln beides miteinander und halten alles gleichermaßen für seriös.
Wie können sie uns helfen?
Hier eine Möglichkeit. (more to come)
Einzelnachweise und vertiefende Lektüre
1. Der Artikel ist z. T. eine Kurzfassung, Neustrukturierung und Erweiterung von: http://www.gwup.org/component/content/article/77-komplementaer-und-alternativmedizin-cam/333-homeopathie-erfolge-nur-Placebo-Effekt
2. Die Homöopathie-Lüge: So gefährlich ist die Lehre von den weißen Kügelchen (2012) Christian Weymayr, Nicole Heißmann
3. „Mutschler Arzneimittelwirkungen“. Mutschler et. al. (2009)
4. http://blog.gwup.net/2011/11/13/kein-wassergedachtnis/
5. Koch T: Placebowirkung bei Tieren. Intern. Praxis 24:587-589 (1984)
6. Löscher W: Homöopathie in der Veterinärmedizin. In (35)
7. Lökken et al.: Effects of homeopathy. BMJ 310:1439-1442 (1995)
8. Nolen W: Healing: A Doctor in Search of a Miracle. Random House, New York (1974)
9. Oepen I (Ed.): Unkonventionelle medizinische Verfahren. Fischer, Stuttgart (1993)
10. Oepen I: Außenseitermethoden in der Medizin. Wiss.Buchgesellschaft, Darmstadt (1986)
11. Prokop O: Homöopathie. Was leistet sie wirklich? Ullstein, Frankfurt (1995)
12. Randi J: Science and the Chimera. Vortrag an der Neurologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich, Videofilm (1993)13. A Shang, K Huwiler-Muntener, L Nartey, P Juni, S Dorig, J A Sterne et al. “Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy”, Lancet, vol 366 (2005), pp 726–732
13. A Shang, K Huwiler-Muntener, L Nartey, P Juni, S Dorig, J A Sterne et al. “Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy”, Lancet, vol 366 (2005), pp 726–732
Krista Federspiel, Vera Herbst und Stiftung Warentest
Die Andere Medizin. „Alternative“ Heilmethoden für Sie bewertet (2006)
Theodor Much
Der große Bluff: Irrwege und Lügen der Alternativmedizin (2013)
[Artikel verfasst von Kamil Pabis und „molotowcocktail“]