Der Verein evo vertritt die Position eines säkularen, evolutionären Humanismus. Ein ganz schön sperriger Begriff, der näher erklärt werden muss.
Der Ausgangspunkt humanistischer Überlegungen ist – wie der Name schon sagt – der Mensch. Zunächst einmal vertreten HumanistInnen einen egalitären Standpunkt, erkennen die Unterschiedlichkeit von Menschen also an, betonen aber ihre Gleichwertigkeit und in der Praxis ihre Gleichberechtigung, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung. Der Mensch ist nicht von Natur aus gut oder böse, vom Menschen unabhängige objektive Werte gibt es nicht. Was richtig und was falsch ist, muss von Menschen festgelegt und in einem politischen Prozess verhandelt werden. HumanistInnen setzen sich dafür ein, diesen Prozess demokratisch zu gestalten.
Der Humanismus, den wir vertreten, ist säkular. Er geht von einer Welt ohne übernatürliche Phänomene, und damit auch ohne Götter und Offenbarung, aus. Die meisten säkularen HumanistInnen verstehen sich selbst daher als AtheistInnen. Der Mensch ist nicht das Werk eines Schöpfers, er ist das Produkt natürlicher Prozesse. Er ist durch Evolution entstanden und wird auch weiterhin von biologischen Faktoren beeinflusst. Nachdem es keine Götter gibt, die uns Wahrheiten offenbaren könnten, müssen wir das Wissen, das wir benötigen um rational Handeln zu können, selbst zusammentragen. Das Werkzeug dafür ist die Wissenschaft. Sie ermöglicht es uns Beobachtungen systematisch durchzuführen, Hypothesen aufzustellen, sie zu testen und Theorien zu entwickeln. Nur auf der Basis von diesem Wissen können wir Aussagen darüber machen, wie die Welt ist und was wir unternehmen müssen, um sie zu verändern.
Wir bezeichnen unseren Humanismus nicht nur deswegen als „evolutionär“, weil er den Menschen als Zwischenprodukt stetiger biologischer Veränderung begreift, die Idee von der stetigen Veränderung ist auch im gesellschaftlichen Zusammenhang wesentlich. Wir wollen es Menschen ermöglichen, sich individuell zu entwickeln und zu verändern. Das Verhalten von Menschen wird maßgeblich von ihren Lebensumständen beeinflusst: Unser Zugang zu Wohlstand, der Grad unserer Freiheit oder unser Zugang zu Bildung bestimmen unseren Blick auf die Welt und prägen unser Handeln.
Menschen sind darüber hinaus soziale Lebewesen. Ein Humanismus, der sich auf eine wissenschaftliche Beschreibung des Menschen gründet und gedanklich vom Menschen als Individuum ausgeht, muss das berücksichtigen. Tatsächlich besteht zwischen Individualität und Sozialität kein grundsätzlicher Widerspruch. Die Befriedigung sozialer Bedürfnisse ist dem Individuum ein Anliegen und involviert notwendigerweise andere Menschen. Es wäre also eine unzulässige Vereinfachung, den einzelnen Menschen als unabhängigen Teil der Gesellschaft zu betrachten und die Gesellschaft nur als Summe ihrer Teile. Bei der Frage, welchen Stellenwert diese beiden Aspekte haben, gibt es innerhalb des säkularen, evolutionären Humanismus verschiedene Standpunkte. Wir sind der Ansicht, dass eine eher soziale Interpretation stimmiger ist und auch in der politischen Praxis mehr Potential hat.
Der evolutionäre Humanismus definiert keinen idealen Endzustand der Gesellschaft. Er verzichtet darauf nicht aus inhaltlicher Beliebigkeit. Die Vergangenheit zeigt, dass zukünftige Entwicklungen nicht vorweggenommen werden können, dass es keinen ursprünglichen, „natürlichen“ Grundzustand der Gesellschaft gab und dass es kein Ende der Geschichte geben wird. Wir wollen auch keinen neuen Menschen schaffen, dessen Eigenschaften jetzt festgelegt und dann in ferner Zukunft erreicht werden müssen. Alle diese Konstruktionen sind für die Praxis bestenfalls wertlos und schlimmstenfalls gefährlich, wenn sie an ihrer praktischen Undurchführbarkeit scheitern und im Wunsch münden, Menschen mit Gewalt an das unerreichbare Ideal anzupassen.
Der evolutionäre Humanismus schlägt stattdessen vor, eine Diskussion über Grundwerte zu führen und überall dort tätig zu werden, wo eine Entwicklung in Richtung dieser Werte möglich erscheint. Ein gutes Grundsatzdokument für ein solches Unternehmen ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Die darin formulierten Grundrechte wirken in Mitteleuropa vielleicht bescheiden, in großen Teilen der Welt sind die darin geforderten Freiheiten und Rechte revolutionär. Der Verein evo bearbeitet daher ein breites Spektrum an Themen, die manchmal auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben, sich aber über unsere Vorstellungen vom Humanismus gut verbinden lassen. Letztlich dient unser Engagement für evidenzbasierte Medizin, unsere Kritik am Dalai Lama und der katholischen Kirche oder unsere Unterstützung für die Säkulare Flüchtlingshilfe ein und demselben Ziel: Dem Grundgedanken des Humanismus – Einem besseren Leben für alle Menschen.