Impfgesetzgebung: Von Pflicht und Notwendigkeit

Impfungen retten 2,5 Millionen Menschen pro Jahr (Action.org) das Leben. Die meisten Impfungen verhindern Krankheiten, die von Mensch zu Mensch übertragen werden, wie Masern oder das humane Papillomavirus. Die Übertragbarkeit ist zugleich ethisches Dilemma. KrebspatientInnen, die evidenzbasierte Therapie ablehnen, gefährden sich selbst wohingegen mangelnder Impfschutz auch Dritte gefährdet. Betroffen sind hier vor allem die Schwächsten der Gesellschaft: Kleinkinder, kranke und immunkompromitierte Personen, Alte und sozial Schwache durch mangelnden Zugang zu Informationen und medizinischer Versorgung.

von Kamil Pabis

Die Impfgesetzgebung muss der ethischen Dimension und zahlreichen weiteren Komplexitäten Rechnung tragen. Vereinfacht gesagt muss das Gesundheitsministerium die persönliche Freiheit gegen das Recht nicht angesteckt zu werden abwiegen.

Die Komplexität sei am Beispiel von Masern erklärt, einer Krankheit die nur Menschen befällt, wodurch es möglich wird, sie auszurotten solange die Impfrate konstant über ~95% liegt (Herdimmunität). Bereits vor mehr als zehn Jahren bekannte sich Europa zur Ausrottung der endemischen Masern, doch dafür müssen alle Staaten zusammenarbeiten. Leider war das Masernziel für Österreich bis jetzt ein reines Lippenbekenntnis. Die Impfrate 1-jähriger Kinder ist seit ca. 15 Jahren unverändert (Fig. 1).

Erschwerend kommt bei Masern hinzu, dass die Herdenimmunität die Impfwilligkeit weiter reduzieren kann, da es kaum noch Masernfälle gibt und daher die Risiken der Infektion im öffentlichen Bewusstsein schwinden. Handeln Eltern, die ihre Kinder unter diesen Umständen nicht impfen lassen, rational oder verantwortungslos? Man beachte: Wenn alle „rational“ handeln bricht die Herdenimmunität binnen kürzester Zeit zusammen („free rider dilemma“). Darf der Staat hier eingreifen?

Doch zurück zu Österreich im Jahr 2015, Anwärter auf den unrühmlichen ersten Platz in der Kategorie „niedrigste Impfmoral Europas“. Mit unserer Impfrate sind wir weit weg vom Dilemma der Herdimmunität. Unsere Probleme sind viel größer. Die Masernfälle haben sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. Etwa 1 von 1000 erkrankten Kindern stirbt an Masern. Warum Impfen wir dann nicht? Ist der Erfolg der Impfung zu ihrem Verhängnis geworden weil das verhinderte Leiden unsichtbar ist? Das kann nur ein Teil der Erklärung sein. Tatsächlich ist Impfskepsis fast so alt wie Edward Jenner und die Pockenimpfung (Salmon et al. 2006). Dennoch haben die meisten Staaten eine hohe Durchimpfungsrate erreicht. In Deutschland, Skandinavien, Australien, Slowenien und den USA sind über 90% der 1-jährigen Kinder gegen Masern geimpft (WHO), wobei nur die letzten drei Staaten auf Pflichtmaßnahmen setzen.

Masern Impfraten

Fig. 1: Masern Impfrate laut WHO: Das Bundesministerium macht ähnliche Angaben wie die WHO: „Laut nationaler Impfstatistik liegt die Durchimpfungsrate bei den zweijährigen Kindern in Abhängigkeit vom Geburtenjahrgang (1998-2009) zwischen 63 und 81 Prozent für zwei Dosen (MMR 1 und 2).“

 

 

Was bedeutet Pflicht?

Das Wort Pflicht beschwört Schreckensbilder herauf und bietet sich für Populismus an. Doch man denke nur an die Gurtpflicht, um zu realisieren, dass hier keine totalitären Mächte im Spiel sind die einem das Sorgerecht entreißen wollen.
Wir unterscheiden die generelle und die „kleine“ Impfpflicht, welche nur kritische Gruppen wie Kinder oder medizinisches Personal umfasst. Eine Pflicht erlaubt medizinische Ausnahmen etwa wegen Allergien gegen Inhaltsstoffe. Je nach Umsetzung können auch religiöse, weltanschauliche oder philosophische Einwände genehmigt werden ohne das Pflichtkonzept zu sabotieren. Eine akzeptable Impfpflicht sollte außerdem ohne Zwang und strafrechtlicher Konsequenzen auskommen. Es gibt mehrere Möglichkeiten eine „Pflicht” umzusetzen und rechtlich auszugestalten. Die wichtigsten Varianten im Überblick:

  • Geldstrafen, Strafandrohung, Wegfall von Transferleistungen oder Steuerbegünstigungen (z.B. Australien ab 2016)
  • Medizinisches Personal: Erinnerungen, Warnungen und eskalierende „Strafen“ bis hin zur Kündigung (USA, je nach Arbeitgeber)
  • Schul- und Kindergartenbesuch nur für geimpfte Kinder wie in den meisten US-Bundesstaaten (Quelle: CPSTF).
  • Kein Schulbesuch nicht-immunisierter Kinder während Epidemien (Australien, Isaacs et al. 2009)
  • Eine Impfpflicht während Epidemien, bei besonders gefährlichen Krankheiten oder welchen mit Eradikationsziel, z.B. Masern und Polio.

Insgesamt bedeutet „Pflicht“ zumeist einfach ein Opt-out System zu schaffen, so dass ImpfskeptikerInnen einige Hürden zu überwinden haben, wenn sie nicht wollen, dass ihre Kinder geimpft werden. Auch in anderen Teilgebieten der Medizin werden solche Ansätze mit Erfolg umgesetzt. Österreich verdankt, beispielsweise, seine hohe Organspenderrate – fast 40% höher als in Deutschland – einem Opt-out System.

Ist eine Verpflichtung logisch oder ethisch begründbar?

Warum ist es erlaubt die Pistole mit in den Schützenverein aber nicht in die U-Bahn zu nehmen? Jeder Staat hat leicht abweichende gesetzliche und ethische Normen. Als Faustregel gilt jedoch: die persönliche Freiheit endet dort, wo die Freiheit oder Gesundheit Dritter gefährdet wird (Fig. 2). Autofahren ist ein typisches Beispiel. Geschwindigkeitsübertretungen sind zum Schutz Dritter verboten – auch wenn das Unfallrisiko relativ gering ist. Sollte die Übertragung von Krankheiten nach denselben Gesichtspunkten nicht auch verboten werden? Tatsächlich sind einige Krankheiten wie Tuberkulose sowohl melde- als auch behandlungspflichtig. Doch was ist mit der Übertragung durch ungeimpfte Personen? Die US-Bevölkerung gilt als freiheitsliebend und in manchen US-Bundesstaaten wäre die Waffe in der U-Bahn vielleicht weniger aufsehenerregend („concealed carry“). Dennoch akzeptieren die meisten AmerikanerInnen bereitwillig, die Einschränkung der persönlichen Freiheit, die mit einer Impfpflicht für Kinder einhergeht, während das Thema in Österreich höchst kontrovers ist.

Freiheit und Fremdgefährdung

Fig. 2: Kompromiss zwischen Freiheit und Fremdgefährdung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Durch Kollateralfolgen und Opportunitätskosten ist die Gefährdung Anderer nie bei null, weswegen der Staat auch Maßnahmen gegen selbstgefährdendes Verhalten setzt, z.B. Kampagnen für den Salzverzicht zur Blutdrucksenkung. Durch letztere profitiert die Gesellschaft als Ganzes, weil am Ende des Tages Geld eingespart wird, das dann für das Gemeinwohl zur Verfügung steht.

Funktioniert die verpflichtende Impfung und was sind die Alternativen?

Wenn nicht anders angegeben bezieht sich die Evidenz auf die Reviews der Community Preventive Services Task Force (CPSTF).

Es macht keinen Sinn weiter über eine Pflicht zu diskutieren wenn die negativen Effekte überwögen. Eine Impfpflicht könnte etwa das Vertrauen in die Ärzteschaft verringern und bis zum Boykott führen. Außerdem treffen Geldstrafen besonders sozial benachteiligte Familien (Elliman et al. 2013). Dem kann man entgegen halten, dass die Impfpflicht genauso wenig wie die Gurtpflicht ein Werkzeug der Verteilungsgerechtigkeit sein soll. Um sozial benachteiligte Familien zu schützen muss die Pflicht zur Impfung Teil eines sozial verträglichen Maßnahmenpakets sein (z.B. Gratisimpfung, Kulanz, Kombination von Impf- und Sozialprogrammen).

Im Gegenteil zu obigen Befürchtungen zeigte sich in den USA, in einer Untersuchung von 27 amerikanische Studien, dass eine Impfpflicht gekoppelt an Schul- und Kindergartenbesuch die Impfraten deutlich erhöht (Salmon et al. 2006). Das neue australische Modell schneidet schlechter ab. Die Effektivität von Strafzahlungen bzw. der Wegfall von Transferleistungen ist nicht ausreichend untersucht. Die positive Wirkung von Anreizen in Form von Sachleistungen hingegen ist gut belegt.

Ob eine Impfpflicht effektiv ist hängt davon ab aus welchen Gründen die Impfrate niedrig ist. Prinzipiell dürfte es vier relevante Gruppen mit geringem Impfstatus geben.

  1. Sozial benachteiligte Gruppen
  2. Hochqualifizierte bzw. hochmotivierte „Impfskeptiker“
  3. Impfmüdigkeit, „Faulheit“ sowie oberflächliche Skepsis
  4. Geschlossene, isolierte Gruppen mit extrem geringem Impfstatus wie reisende Roma, anthroposophische Schulen, Religionsgruppen, etc. (Quelle: Eurosurveillance)

Das Verhalten von Gruppe (1) kann durch eine Impfpflicht beeinflusst werden, aber es besteht das Risiko soziale Ungerechtigkeiten zu verstärken. Eine Pflicht könnte die Impfskepsis in Gruppe (2) noch verstärken. Gruppe (3) dürfte in Österreich besonders groß sein und bietet sich für eine Impfpflicht hervorragend an. Gruppe (4) ist mit allen herkömmlichen Methoden kaum zu erreichen. Zu der Verteilung der vier Gruppen in Österreich gibt es nur wenig Daten (siehe weiter unten).

Auch das Gesundheitswesen könnte von einer Pflicht profitieren. Durch die verpflichtende Influenzaimpfung für Mitarbeiter (Pitts et al. 2014) kann die Impfrate auf nahezu 100% gesteigert werden, jedoch gibt es Bedenken gegen die Wirksamkeit der Influenzaimpfung als Alleinmaßnahme zum Schutz der Patienten (Pitts et al. 2014). Die untersuchten Studien gestatteten medizinische und religiöse Ausnahmen. Verlegung oder das Tragen von Masken waren typische Konsequenzen für ungeimpfte Mitarbeiter und gleichzeitig Schutzmaßnahmen für die Patienten. Entlassungen aufgrund Impfweigerung waren selten.

Zusätzlich zur Impfpflicht für Kinder sowie Impfanreizen wird ein multimodales Maßnahmenpaket empfohlen, darunter:

  • Schulimpfsysteme
  • Erhöhung der Verfügbarkeit, außerdem Kopplung mit Sozialprogrammen
  • Erinnerungen für ÄrztInnen und PatientInnen
  • Feedback und Qualitätskontrolle für ÄrztInnen
  • Hausbesuche und persönlicher Kontakt insbesondere für Risikogruppen
  • Gratisimpfungen
  • Impfpass
  • zentrale Impfdatenbank
  • unbürokratische Impfungen durch ApothekerInnen oder KrankenbetreuerInnen („Standing Orders“)

Es gibt keine Ausreichenden Daten um die Effektivität von Impfkampagnen und Werbung als Alleinmaßnahme zu bewerten.

Spezialfall Kinder

Gemäß der UN-Kinderrechtskonvention steht das Kindeswohl über den Rechten der Eltern. So werden Bluttransfusionen bei Kindern, deren Eltern Zeugen Jehovas sind, per Beschluss durchgesetzt. Nun könnte man bei Transfusionen mit Gefahr im Verzug argumentieren, aber die Gurt- und Kindersitzpflicht produziert auch keinen größeren Aufschrei. Strafen bewegen sich im Rahmen von 70 – 100 Euro. Mutig und folgerichtig fordert die Volksanwaltschaft eine Impfpflicht für Kinder während das Gesundheitsministerium plump ausrichten lässt die Pflicht widerspreche “verfassungsmäßigen Grundrechten”. Vielleicht muss sich das Ministerium noch über eine legale Implementation informieren. Oder steckt dahinter doch innenpolitisches Kalkül?

Impfungen haben ein schlechtes Image in Österreich

Laut einer Forsa-Umfrage sprechen sich erstaunliche 80% der Deutschen für eine Impfpflicht aus. Zu dieser Fragestellung gibt es hierzulande keine repräsentativen Daten. Wir wissen jedoch dank einer Umfrage der Karl Landsteiner Gesellschaft (KLG), dass ÖsterreicherInnen Impfungen mehrheitlich skeptisch gegenüberstehen. Unter österreichischen ÄrztInnen zeichnet sich ein differenziertes Bild ab, tendenziell entgegengesetzt zur Bevölkerung. Eine kleine aber deutliche Mehrheit könnte sich eine Impfpflicht gegen Krankheiten wie Masern vorstellen. Die Ärztekammer ist überraschenderweise dagegen und die Volksanwaltschaft dafür. Auch die österreichische Bioethikkommission unterstützt eine kleine Impfpflicht zumindest für medizinisches Personal. So unpopulär wie Impfungen sind verwundert es wenig, dass sich die Politik an die breite Masse anbiedert.

Eine nähere Analyse der KLG-Umfrage gibt jedoch Anlass zur Hoffnung. Es waren zwar 57% der Befragten verunsichert und gegenüber „einige[n] der empfohlenen Impfungen skeptisch“, aber nur 4% lehnten Impfungen ganz ab. Beachtliche 85% der österreichischen Eltern lassen den Impfstatus ihrer Kinder regelmäßig prüfen. Etwas verwunderlich: Es gab keine Unterschiede in der Haltung unterschiedlicher Bevölkerungsschichten. Im Gegenteil aus Deutschland ist bekannt, dass hochqualifizierte Mütter ihre Kinder seltener impfen. Es bleibt also unklar welche sozioökonomischen Gruppen in Österreich die größten Impfdefizite aufweisen.

Die wichtigsten Gründe für Impfablehnung waren Angst vor Nebenwirkungen oder „Überlastung“ des Kindes, außerdem Zweifel an der Notwendigkeit. Zusätzlich schienen AlternativmedizinerInnen den Eltern eher von Impfungen abzuraten, was sich mit früheren Untersuchungen deckt (Ernst et al. 2001). Die Umfrage zeigt: Einerseits könnte Aufklärung helfen, andererseits wäre eine Impfpflicht (d.h. ein „Opt-out System“) vielleicht doch politisch durchsetzbar.

Kann eine „Pflicht“ gegen den Willen der Bevölkerung eingeführt werden?

Müssen sich zuerst die Gesetze oder die Gesellschaft ändern? Man kann argumentieren, dass in einer repräsentativen Demokratie PolitikerInnen und ExpertInnen auch unpopuläre Maßnahmen umsetzen dürfen. Es gibt zahlreiche Positivbeispiele. Desegregation und Gurtpflicht sind gegen massiven, zum Teil überwiegenden, Widerstand eingeführt worden. Leider gibt es auch Negativbeispiele. Es gibt z.B. reaktionäre Gesetze, die gegen den Willen der Bevölkerung, nicht modernisiert werden wie Gleichberechtigung homosexueller Menschen.

Eine Impfpflicht steht sicher nicht prinzipiell im Gegensatz zum europäischen Konsens, körperlicher Autonomie, der Aufklärung und der österreichischen Verfassung. Es ist anzunehmen, dass die Bevölkerung sich an eine Impfpflicht mit Opt-out Möglichkeit schnell gewöhnen würde. Dennoch dürfte eine Umsetzung in Österreich waghalsig werden.

Die Situation in Österreich und Verbesserungsmöglichkeiten

Hierzulande herrscht nach wie vor eine Zwei-Klassen Medizin, speziell auf dem Gebiet des Impfwesens. Möglicherweise lehnen wohlhabende Eltern Impfungen vermehrt ab. Für Österreich ist das jedoch nicht abschließend belegt. Die Armen haben häufig aber keine Wahl. Denn nicht alle empfohlenen Kinderimpfungen sind umsonst darunter Influenza, FSME, Varizellen, Meningokokken und Hepatitis A. Auch die Kosten der HPV-Impfung werden nur für sehr selektive Gruppen und nur seit Kurzem übernommen. Die Pneumokokkenimfpung war lange Zeit auch nicht kostenfrei zugänglich. Die Masernimpfung für Kinder ist jedoch in Form der MMR-Impfung seit zumindest 1998 kostenfrei. Kosten alleine erklären sicherlich nicht die geringe Impfrate in Österreich. Die 2014 gestartete, auf Werbung und Infomaterial aufbauende, Masernkampagne des Bundesministeriums (http://www.keinemasern.at/) ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, der jedoch zehn Jahre zu spät kommt und alleine bei weitem nicht ausreichen wird. Mit Ausnahme der MMR-Impfung sind gemäß nationalem Impfplan alle Impfungen ab Ende der Schulpflicht – abhängig von der Krankenkasse – selbst zu bezahlen.

Laut dem Impfexperten Dr. Wolfgang Maurer ist das Föderalsystem und die Bürokratie ein weiteres Problem. Die Zersplitterung von Kompetenzen behindert an sich funktionsfähige Systeme wie die Schulimpfung oder die Erfassung der Impfraten. Während andere Staaten die unbürokratische Impfung durch ÄrztInnen, PharmazeutInnen und KrankenpflegerInnen ermöglichen, ist selbst die Impfung durch (Fach)ärztInnen in Österreich rechtlich problematisch, so Maurer. KinderärztInnen dürfen, beispielsweise, nicht die Impfungen der Eltern auffrischen.

Maurer könnte sich durchaus Impfungen in Apotheken vorstellen. Das Gegenargumente „Anaphylaxis“ (allergischer Schock) lässt er nicht gelten, denn diese Nebenwirkung ist extrem selten und ApothekerInnen sind in Erster Hilfe ausgebildet. Im Endeffekt muss man auch hier Vor- und Nachteile abwiegen. Die Impfung durch nicht-ärztliches Personal gilt als sehr effektive Methode um die Impfrate zu erhöhen (Quelle: CPSTF).

Die Bioethikkommission hat vor kurzem eine logische Erweiterung des „Schulimpfkonzepts“ vorgeschlagen: Die Kontrolle des Impfstatus bei Kindergartenbesuch jedoch keine Nachimpfung oder Verpflichtung. Obwohl diese Empfehlung konsistent ist mit gängigen Standards (CPSTF) dürfte sie noch länger debattiert werden ehe sie vielleicht umgesetzt wird. Der Berufsverband der KindergärtnerInnen gedenkt erst in Zukunft sich diese Idee „genau anzusehen“ wenn sie konkreter sei, während die Kommission die Konkretisierung dem Ministerium überlässt.

Auch andere Systeme wären verbesserungswürdig. Wissen Sie auf Anhieb wo ihr Impfpass liegt und welche Impfungen sie erhalten haben falls der Pass verloren geht oder beschädigt wird? Was spricht dagegen diese Daten zentral oder auf der E-Card zu speichern? Das würde Millionen Menschen nützen, Zeit sparen, automatische Impferinnerungen ermöglichen und redundante Impfungen vermeiden. Die meisten Menschen teilen freiwillige ihre intimsten Momente mit Google, Facebook & Co., aber bei nützlichen Anwendungen kommt der „Datenschutz“-Aufschrei. Kein System ist völlig sicher, aber es wäre doch vermessen zu behaupten, die Vorteile wären hier geringer als die Risiken.

Impfungen, Sozialprogramme und österreichische Bürokratie arbeiten an einander vorbei. Warum ist es nicht möglich Impfungen oder Impferinnerungen mit dem Besuch von AMS, Sozialamt, Musterung, Führerschein/Passausstellung, etc. zu kombinieren um einen großen Anteil der Bevölkerung zu erreichen?

Was spricht außerdem dagegen Impfungen in den Mutter-Kind Pass aufzunehmen und an Impfanreize zu koppeln? Anstelle einer unausweichlichen Pflicht könnte man impfskeptischen Müttern oder Vätern ein Opt-out Formular anbieten, das in einem jährlichen Beratungsgespräch erneuert werden muss.

Zuckerbrot oder Peitsche?

KritikerInnen der Impfpflicht empfehlen Alternativen wie monetäre Anreize oder Erinnerungen. Tatsächlich ist eine Pflicht nur sinnvoll wenn andere Maßnahmen versagen, aber wie lange sollen wir noch auf eine adäquate Antwort der Gesundheitspolitik warten? Außerdem darf nicht vergessen werden, dass Anreize problemlos mit Verpflichtungen kombiniert werden können.

Da die Durchimpfungsrate hierzulande seit Jahrzehnten zu niedrig ist, müssen nun alle Ansätze offen diskutiert werden. Damit wir unsere Impfziele erreichen, muss eine Opt-out Kultur entstehen, sodass alle Kinder geimpft werden, deren Eltern nicht aktiv werden um der Impfung zu widersprechen. Sollte die kleine Impfpflicht dennoch politisch unmöglich sein, müssen stufenweise andere evidenzbasierte Maßnahmen durchgesetzt werden, bis das Ziel erreicht ist. Österreich hat bei weitem nicht alle international üblichen Maßnahmen ausgeschöpft. Außerdem müssen diese Methoden individuell an den österreichischen Standort angepasst werden und wir brauchen bessere Daten über „Impfskepsis“ und Impfmüdigkeit.

Kann so ein Unterfangen kosteneffektiv sein? Vakzine zählen gemeinhin zu den kosten-effektivsten Public Health Maßnahmen und ähnliches gilt für Wege zur Erhöhung der Impfrate. Eine Maserneradikation wird die nächsten tausend Jahre Dividenden zahlen.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Impfgesetzgebung: Von Pflicht und Notwendigkeit

  1. Dr. E. Berndt sagt:

    Leider sind Ihre Ausführungen allzu wahr.
    Danke für diesen hervorragenden Beitrag.

  2. Dr. E. Berndt sagt:

    Impfverweigern als Religion

    Impfen ist eine Erfolgsgeschichte der Medizin. Mit dem „Impfen“ als gezielte Vorbeugung vor der Pockenerkrankung wurde schon zu einer Zeit begonnen, als es in der Medizin darüber im Vergleich zu heute noch kein spezifisches naturwissenschaftliches Wissen gab.

    Impfen seinerzeit hat mit Impfen heute nur mehr das „Prinzip“ gemeinsam. Von den ersten Vakzinen bis zu den modernen Impfstoffen war es ein weiter Weg. Herstellung; Wirkung und Sicherheit der ersten Pockenvakzine ist mit heutigen Standards und Methoden nicht zu vergleichen. Es ist das ewige Verdienst von Edward Jenner (1749 – 1823), mit der gezielten Herstellung eines Vakzins begonnen zu haben. Dazu wurde er durch medizinische Berichte und Beobachtungen, dass sich einmal an Kuhpocken Erkrankte und Überlebende der echten Pocken nicht mehr erkrankten, inspiriert.

    Das Vorgehen von Edward Jenner wäre nach heute gültigen medizinischen Sicherheitsstandards undenkbar. Man könnte es mit den Begriffen „heroisch“ bis „grob fahrlässig“ beschreiben. Seine eigenen Kinder waren die ersten Impflinge und, salopp gesagt, Versuchskaninchen.

    Schon lange vor Jenner wurde „geimpft“, das heißt, dass man noch nicht Erkrankte etwa z.B. mit zerriebenen Pusteln Erkrankter durch Hautritzen vor der Erkrankung zu feien versuchte. Der Begriff „Immunisieren“ ist in den allgemeinen Sprachschatz eingegangen.

    Mit welchen Überlegungen das Phänomen der stillen Feiung seinerzeit erklärt wurde, sei dahingestellt. Unsere heutigen gesicherten Kenntnisse über das Immunsystem haben damit fast nichts mehr gemein. Die Fülle an gesicherten Erkenntnissen, die sich gegenseitig bestätigen, die auf einander aufbauen und die mit dem Wissensschatz der übrigen Naturwissenschaften übereinstimmen, ist mittlerweile so groß, dass am grundsätzlichen Wissen über das Impfen, das Immunsystem und die Wirkungsweise der Impfstoffe nicht mehr zu rütteln ist. Und dennoch, trotz aller Fülle von Einblicken, die uns moderne Biologie und Gentechnik gewähren, kommen erst recht immer wieder neue Fragen auf. Wissen ist ein Prozess, der nie zu Ende ist. Es können sich neue Schwerpunkte auftun, aber ab einem gewissen Ausmaß an gesicherten Erkenntnissen und einer Bewährtheit gibt es bestenfalls noch Modifikationen und natürlich Verbesserungen in vielen Details.

    Zum O-Ton der Impfgegner gehört es, immer auch auf Giftigkeit bzw. unerwünschte Wirkungen der verwendeten Hilfsstoffe hinzuweisen. Egal, ob es sich um Stabilisatoren, Mittel zur Keimfreihaltung oder zur Wirkungsverlängerung u. -verstärkung handelt, sie werden offenbar ohne jeden vernünftigen Zweck dazugetan. So wurden Hilfsstoffen wie Formaldehyd, Aluminiumoxyd, Thiomersal (eine organische Quecksilberverbindung) in maßloser Übertreibung unerwünschte Wirkungen und Langzeitschäden zugeordnet, um Panik zu erzeugen. Ihre Giftigkeit wird immer noch beschworen, obwohl sie schon lange nicht mehr verwendet werden bzw. ihre Verwendung durch die neuen Herstellungstechniken nicht mehr notwendig ist.

    In der Vergangenheit wurden in Medizin und Pharmazie viele Methoden und Mittel angewendet, die heute obsolet sind und das auch in Fertigarzneimitteln zur Impfung, aber nicht aus Jux und Tollerei. Es war notwendig, diese Zusatzstoffe zur Verbesserung und Sicherstellung der Wirkung und Haltbarkeit etc. einzusetzen. Für alle eingesetzten Stoffe gab und gibt es Grenzen und auch eine Nutzen und Risikoabwägung, aber entsprechend dem jeweiligen Wissens- u. Erfahrungsstand.

    Bedenken muss man auch, dass Impfen eine Vorbeugemaßnahme zum Unterschied z.B. einer medikamentösen Behandlung einer Erkrankung ist, wo sich die Wirksamkeit des Arzneimittels unmittelbar beobachten lässt. Das Impfgeschwür und das Fiebern wurden bei der Pockenimpfung nicht als unerwünschte oder gefährliche Nebenwirkungen sondern als notwendiges und gutes Zeichen eines erfolgreichen Krankheitsschutzes angesehen.

    Im Buch „Eine Ehe in Briefen“ (Herausgeber Ursula Keller u. Natalja Sharandak) kann man auf Seite 40 in einem Brief von Sofja Tolstaja an ihren Mann, dem Dichter Lew Tolstoj, folgendes lesen: „…Die Kleine war sehr unruhig. Sie glüht nach der Pockenimpfung, es zeigten sich auf der einen Hand eine, auf der anderen Hand drei Pocken. Bei Serjosha scheint die Impfung nicht angeschlagen zu haben, obwohl die Njanja davon überzeugt ist. Er hat noch immer recht starken Durchfall, vermutlich schlägt deshalb die Impfung nicht an…..“

    Heute kann man die gewünschten immunologischen Reaktionen aller Impfungen durch den Nachweis der spezifischen Antikörper im Serum überprüfen. Die Menge an schützenden Antikörpern kann direkt bestimmt werden. Das Maß dafür ist der Titer und er gibt Auskunft über den Grad der erzielten bzw. noch vorhandenen Schutzwirkung der entsprechenden Antikörper. Das ist heute Routine.

    Weiters argumentieren die Impfgegner mit einer übermäßigen und gefährlichen Belastung des Organismus durch eine Impfung und vergessen dabei, dass unser Immunsystem ununterbrochen – ohne Pause – alle möglichen Keime immunologisch erkennt und bekämpft, ohne dass dies irgendwie zu bemerken ist. Die „natürliche“ Erkrankung wird im Gegensatz zur „künstlichen“ Impfung als ungefährlicher und notwendig erachtet. Diese Ansicht widerspricht allen Erfahrungen und Erkenntnissen und zeigt, dass Ideologie das Denken beherrscht.

    Nach jeder Impfung und auch bei Erkrankungen kann man den entsprechenden Titer im Tagestakt bestimmen und so feststellen, wie und ob sich die Immunität aufbaut. Da nach einer Impfung „äußerlich“ von der Immunisierung nichts zu bemerken ist, kann nur über die Antikörperbestimmung die Schutzwirkung überprüft werden. Eine Infektionskrankheit ist erst dann zu bemerken, wenn das Immunsystem nicht rasch genug und zu wenig ausreichend reagiert und man daher „sichtbar“ erkrankt. Der Ausgang so einer Erkrankung ist bei einem gesunden Menschen in Falle eines harmlosen Schnupfens die vollkommene Gesundung, bei Masern ist das nicht mehr so gewiss.

    Impfen ist nach gut 200 Jahren eine äußerst sichere Angelegenheit geworden. Zu Beginn war das nicht so. Die ersten Impfungen waren im Vergleich zu heute mit schweren unerwünschten Wirkungen verbunden. Mit den heute vielbeschworenen Nebenwirkungen ist das nicht zu vergleichen und wäre völlig intolerabel. Eine moderne Impfung wird in aller Regel „reaktionslos“ vertragen. Es darf vermutet werden, dass die Aufregung besorgter Eltern auch eine Nocebowirkung in ihren Kindern entfaltet, die mehr zu unerwünschten Wirkungen führt als das Impfen selbst. Es ist bekannt, dass Angst bzw. Unruhe von Eltern auch Fieber hervorrufen kann und das auch nach dem Impfen.

    Schwerste bzw. unerwünschte Wirkungen im heutigen Sinn bedeuteten in Zeiten verheerender Epidemien, wenn jährlich Hunderttausende erkrankten nichts. Das erwähnte Impfgeschwür war ein äußerst positives Zeichen. Bis zu 50% der an Pocken Erkrankten verstarben und viele erblindeten. Man musste froh sein, wenn man die Erkrankung überhaupt überlebte und außer den sprichwörtlich gewordenen Pockennarben keine weiteren Schäden davontrug. Diesem natürlichen Anschauungsunterricht entging keine Generation. Entstellende Pockennarben waren eine Alltäglichkeit. Fast alle waren davon betroffen. Nur in Ausnahmefällen gelangten diese in Portraits auf das Gesicht. Ein makelloses Gesicht war außergewöhnlich. Die Portraitmaler konnten nicht malen, was sie malen wollten, sondern mussten malen, was sie malen sollten, so die Aussage von Dr. Christof Metzger, Chefkurator der Albertina. Sie wurden für schöne Portraits bezahlt. Es war selbstverständlich, dass ein Portrait praktisch immer geschönt war.

    So waren beispielsweise Haydn und Beethoven so hässlich bzw. von Pockennarben übersät, dass es keine authentischen Portraits gibt. Goethe hatte auch seine Pockennarben und Mozart war nicht schön. Die Portraits lassen dies bestenfalls erahnen.

    Herrscherhäuser blieben von Pocken nicht verschont. Kaiserin Maria Theresia erkrankte und drei ihrer sechzehn Kinder verstarben an den Pocken. Eine Tochter wurde durch die Krankheit so entstellt, dass die vorgesehene Vermählung nicht zu Stande kam. Sie selbst wurde auch entstellt, wollte sich nicht mehr sehen und ließ Spiegel im Schloss verhängen.

    Diese Zeiten sind seit vielen Generationen vorbei und es gibt praktisch keine bildlichen Zeugnisse. Es gibt auch keine persönlichen Erinnerungen und Erlebnisse. Wer weiß schon, wie viele seiner Vorfahren an Pocken und anderen Infektionskrankheiten im Kindesalter litten, gesundheitliche Dauerschäden davontrugen oder verstarben? Es sind keine konkreten Vorstellungen mehr im allgemeinen Bewusstsein vorhanden, wie es bei Epidemien zuging und es früher in der guten alten Zeit generell ums Überleben und um die Gesundheit bestellt war.

    Wir diskutieren vom heutigen allgemeinen Gesundheitsniveau ausgehend über relevante Standards in Sachen Gesundheit, über unerwünschte Wirkungen und Unzulänglichkeiten. Wohlgemerkt, die lebensgefährlichen und gesundheitsbedrohlichen Zustände der Vergangenheit sind keine Rechtfertigung für heute vermeidbare Risiken und mögliche unerwünschte Wirkungen. Die fehlende Erinnerung ist aber Voraussetzung für eine Nostalgie, dass früher das Leben, weil es natürlicher zuging, gesünder gewesen sei. Man glaubt, dass in einer guten alten Zeit alles Eitel und Wonne war, weil es noch keine Chemie und Technik gab, die als besondere Übel unserer modernen Zivilisation empfundenen werden.

    Unser heutiges gesundheitliches Wohlergehen und unsere gestiegene und immer noch steigende Lebenserwartung beruhen darauf, dass es gelungen ist, die in aller Regel überwiegend gesundheitsfeindliche Natur abzuwehren. Die Natur ist kein heilsamer Streichelzoo. Es ist ein Verdienst der Aufklärung, der Bildung und der modernen Naturwissenschaften, die auf den Bildungsidealen von Humboldt gründen, dass dies so gut gelungen ist.

    Trotz und gerade wegen aller Erfolge versprach die moderne Medizin niemals alles heilen zu können. Die Möglichkeiten der konventionellen Medizin sind begrenzt. Dieser Realismus enttäuscht so sehr, dass der modernen Medizin generelles Unvermögen vorgeworfen wird. Sie wird noch immer mit dem Begriff Schulmedizin gezielt als unpraktisch und weltfremd (ab)gewertet. Der Homöopath Franz Fischer machte diesen Begriff 1876 in diesem Sinn populär.

    Die alternative, komplementäre und ganzheitliche Medizin liegt im Trend, obwohl sie keine nachweislichen Leistungen vorzuweisen hat. In der heilenden Welt der alternativen, komplementären und ganzheitlichen Medizin ist scheinbar alles möglich. Probleme mit unerwünschten Wirkungen (Nebenwirkungen) oder Risiken gibt es nicht. Jede Heilung wird den Hoffenden und Verzweifelten überzeugend versprochen, aber nicht umsonst. Im Gegensatz zu den scheinbar zweifelhaften Segnungen der Zivilisation und der modernen Medizin ist hier endlich alles wieder so natürlich, biologisch und sinnvoll wie früher. Die Natur ist für den Menschen geschaffen und der liebe Gott lässt für jede Krankheit ein Kräutlein wachsen. Diese „Natur“ zu verstehen und zu nützen, ist eines der Markenzeichen der Heil(s)praktiker und der alternativen, komplementären und ganzheitlichen Mediziner im Gegensatz zu wissenschaftlich verbildeten Medizinern.

    Im diesem Trend liegt auch die strikte Verweigerung des Impfens. Sie geht konform mit nostalgischen Vorstellungen über die gute alte Zeit, als noch alles gut, natürlich und biologisch war. Damals war die Welt, wie könnte es anders sein, noch nicht künstlich, noch frei von böser Chemie und herzloser Technik und neuerdings auch offensichtlich vegan. Das Verkünden von irrealen Gefahren und Nebenwirkungen der chemischen, künstlichen, industriellen Impfungen gehört dazu.

    Wer nichts weiß, muss aber alles glauben. Eine Fülle von irreführender Aufklärungsliteratur gespickt mit Halb- u. Unwahrheiten bestärkt die Besorgten so sehr in ihren Ängsten, dass Nichtimpfen als rational und fortschrittlich erscheint. Der Erfolg ist, dass Masern oder Kinderlähmung noch nicht wie die Pocken ausgerottet wurden.

    Wie alle Scharlatane verstehen es auch die Führungspersonen der Antiimpfszene meisterhaft, die Sorgen und Ängste ihres Publikums aufzugreifen und zu schüren. Die moderne Medizin wird unterschwellig gezielt zum Feindbild aufgebaut und mit gekonntem Einsatz von Verschwörungstheorien wird den Gesundheitsorganen schlicht unterstellt, im Sold einer Impf- und oder Pharmamafia zu stehen und die Menschen mit Impfen vorsätzlich zu vergiften. Diese Verführungskunst ist nicht neu sondern leider altbewährt.

    Buchstäblich alles, was wir heute über die Natur einschließlich Biologie und in der Medizin, wissen, verdanken wir den modernen Naturwissenschaften. Tausende namenlose und hunderte durch Nobelpreis ausgezeichnete Wissenschaftler haben unsere Kenntnisse erweitert. Der Beitrag dazu von all den hochgejubelten verstorbenen und lebenden Größen der alternativen, komplementären und ganzheitlichen Heilkunde ist null. Die Anthroposophie von Steiner oder die Homöopathie von Hahnemann haben nichts geleistet. Es gibt keine Erkenntnisse in Immunologie, die wir der „wissenschaftlichen“ Nichtimpfszene verdanken, wo sich Homöopathen und Anthroposophen besonders gefunden haben.
    Realität ist, dass Masern eine sehr schwere Allgemeinerkrankung sind und keine Kinderkrankheit. Das generelle Missverständnis beginnt schon mit dem irreführenden Begriff Kinderkrankheit. Daraus leiten viele Menschen und alternative Impfgegner ab, dass Masern harmlos und irgendwie natürlich und damit notwendig und nützlich für die kindliche Entwicklung sind.

    So infizieren sich grundsätzlich alle nicht immunen Menschen nach entsprechendem Kontakt mit den Masernviren, erkranken schwer und sind dann ein Leben lang immun. So weit, so gut. Wir wissen heute gesichert, dass das aber in vielen Fällen mit bleibenden Schäden und auch mit tödlichem Ausgang verbunden ist. Daraus ergibt sich, dass in einer Bevölkerung dann nur mehr die Personen erkranken können, die noch nicht durch die ach so natürlichen Masern brutal immunisiert worden sind, das sind die Kinder und Jugendlichen mit allen möglichen negativen Folgen.

    Mit der Entdeckung Amerikas brachten die Europäer „ihre“ Infektionskrankheiten mit. Die Folgen waren verheerend. Es ist nicht so, dass z.B. die amerikanischen Ureinwohner krankheitsanfälliger gewesen wären als ihre Eroberer. Aus der Geschichte wissen wir detailliert, was passiert, wenn in einer isolierten Population z.B. auf einer Insel nach mehreren masernfreien Generationen Masern wieder eingeschleppt werden. Es erkranken dann schlichtweg alle und auch die Säuglinge, da ihre Mütter ja keine Immunität aufgebaut hatten und diese für die ersten Lebensmonate daher auch nicht weitergeben werden konnte.

    So kam im Jahre 1846 ein Tischler aus Kopenhagen auf die Färöer-Inseln, der vor seiner Abreise Kontakt mit Masernerkrankten gehabt hatte. Er löste eine mehrmonatige Masernepidemie nach mehr als 60 Jahren aus. Der letzte Ausbruch von Masern war 1781 auf dieser Inselgruppe. Nur die 92 Einwohner, die aus dieser Zeit noch lebten, erkrankten nicht.

    Nichtimpfen ist eine sehr subtile Ideologie. Neben verkorksten pseudowissenschaftlichen Argumenten stecken auch esoterische und quasireligiöse Elemente dahinter. Und wie bei allen Ideologien und Religionen können oder müssen nur Erwachsene bekehrt werden, wenn man von Zwangsbekehrungen absieht. Kinder jedoch werden nicht bekehrt, sie werden in aller Regel mit der Religion und/oder der Ideologie ihrer Eltern zwangsbeglückt. Und so müssen nach der Ideologie des Nichtimpfens die Kinder quälende Krankheiten für den Irrglauben ihrer Eltern erleiden und, wenn das Schicksal es wollte, ein Leben lang daran leiden oder gar sterben.

    Wenn ein Arzt nach der religiösen Überzeugung der Zeugen Jehovas bei der Behandlung eines Kindes eine dringend notwendige Bluttransfusion nicht durchführt und so erwiesenermaßen einen vermeidbaren Tod verschuldet, macht er sich strafbar. Aber das Quälen von unmündigen Kindern durch überzeugte Impfgegner fällt unter die demokratischen Freiheiten. Unter diese Freiheit fällt auch, bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf die Gefährlichkeit von Impfungen hinweisen zu dürfen. Des Weiteren fällt unter diese Freiheit die Notwendigkeit und den überwältigenden Nutzen von Impfungen überhaupt zu leugnen. Dies tun Ärzte, die in Hygiene und Seuchenkunde, Virologie, Bakteriologie, Immunologie etc. ausgebildet worden sind. Es stört keine Berufskammern, wenn ihre Mitglieder auf diese Weise ihre Ahnungslosigkeit nachweisen und das wie z.B. auch die Homöopathie oder die Anthroposophie noch als Fortschritt verkaufen. Homöopathie und Anthroposophie müssen hier erwähnt werden, weil gerade in diesen Kreisen das Nichtimpfen besonders verbreitet ist.

    Man muss sich vor Augen halten, dass die Impfgegner keine dummen Toren sind sondern meist überdurchschnittlich intelligente Menschen, die es verstehen, ihre Ideologie bzw. ihre fehlgeleitete Bildung mit raffinierten Scheinargumenten und selektiv ausgewählten Teilwahrheiten scheinbar wissenschaftlich zu argumentieren und für den Stammtisch hat man natürlich auch noch populistische Verschwörungstheorien parat. Diese pseudointellektuelle Besonderheit wurde von Robert Musil als „höhere Dummheit“ charakterisiert. Dieser höheren Dummheit, bei der ein verrücktes aber durchaus im Normbereich befindliches Gemüt den Verstand regiert – so seine Ausführungen –, verdanken wir das wiederholte Auftreten der Masern an den Waldorfschulen und den jüngsten Masernausbruch in den USA.

    Die Impfgegner haben Tradition. Sie formierten sich bereits gegen Edward Jenner. Die Argumente waren fundamental religiös bis verleumderisch, wie wir es heute auch kennen. Pocken seien gottgewollt, man dürfe in die Schöpfung nicht eingreifen und dergleichen mehr. Die römisch katholische Kirche war kein Befürworter. Papst Leo XII. war wissenschaftsfeindlich und erzkonservativ. Ihm wird sicher wohl fälschlicherweise das Zitat in den Mund gelegt: „Wer auch immer sich der Impfung unterzieht, hört auf, ein Kind Gottes zu sein. Die Pocken sind ein Strafgericht Gottes, die Impfung ist eine Lästerung des Himmels.“ Belegt ist, dass er die unter seinem Vorgänger Pius VII. obligatorisch einführte Pockenimpfung wieder aufhob.

    Sich gegen Röteln impfen zu lassen, ist nach katholischer Lehrmeinung auch mit dem Glauben nicht vereinbar. Die Rötelimpfviren werden auf fetalen Fibroplasten vermehrt. Und diese zur Produktion unerlässlichen Fibroplasten wurden ursprünglich in den 60ern aus Material gewonnen, das aus einer Abtreibung stammte und bis heute weitergezüchtet. An dieser Sünde wollen dogmatische Katholiken nicht teilhaben.

    Aber Religion und Nichtimpfen ist auch in der Gegenwart ein Thema. In den Niederlanden, wo keine Impfpflicht besteht, gibt es eine strenggläubige Minderheit von Anhängern streng-reformierter Kirchen. Diese wohnen vornehmlich im „Bibelgürtel“ und lehnen das Impfen als Eingriff in die göttliche Fügung ab. Die meisten Eltern in den Niederlanden lassen sich selbst und ihre Kinder impfen, aber durch die lokale Häufung von Impfgegnern besteht die Gefahr der Bildung von Seuchenherden.

    Im Bibelgürtel ist der Prozentsatz geimpfter Kinder vergleichsweise sehr gering. 1978(!) kam es vor allem in den Dörfern Elspeet, Nunspeet, Uddel und Staphorst zu über 100 Polio-Fällen. Alle Betroffenen waren aus religiösen Gründen nicht geimpft worden: „Gott bringt über mich, was er für mich entschieden hat.“

    Nach Schätzungen des RIVM (Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu) sind ungefähr 30 % der Streng-Reformierten nicht geimpft. Während des letzten größeren Polioausbruchs 1992, der vor allem im Bibelgürtel stattfand, wurden daher alle dortigen Einwohner aufgerufen, sich (erneut) impfen zu lassen. 1999 kam es zu einer Masernepidemie unter der örtlichen nichtgeimpften Bevölkerung.

    Aber unsere Impfgegner sind mit ihrem irrealen Kampf für den Fortbestand einer ausrottbaren Seuche nicht allein. Bill Gates hat zwar viel Geld für das Projekt „End Polio Now“ gespendet. Doch die Taliban rückten das bereits sichtbare Ziel, die Kinderlähmung auszurotten, wieder in weite Ferne. Sie verboten die Impfung in ihrem Einflussbereich und an die 70 Impfhelfer mussten ihren Einsatz bereits mit ihrem Leben bezahlen. Und auch hier sind die Argumente religiös bis verschwörungstheoretisch untermauert. Man kann es sich aussuchen, ob nach dem Koran die Kinderlähmung sinnvoll und zu erdulden ist oder die Amerikaner mit dem Impfen nur Böses im Schilde führen. Das Ergebnis ist das gleiche: Viele, viele Kinder wird die Krankheit weiter verkrüppeln und bei uns werden die Masern dank dem Eifer der Impfgegner noch viele Kinder folgenschwer quälen.

    Jetzt hofft man dieser Unmenschlichkeit und dem Leid durch Information zu begegnen. Nur, waren Dogmen jemals für rationale Argumente offen?

    Haydn war hässlich.
    http://www.nachrichten.at/reisen/Wallfahrt-zum-Hofmusikus;art119,105491
    Dem gewissenhaften Betrachter stellt sich allerdings beim Rundgang unweigerlich die Frage, warum die vielen ausgestellten Büsten und Porträts des gefeierten Mannes einander so wenig gleichen. Wahrscheinlich aus Gründen der Pietät. Das pockennarbige Gesicht des Joseph Haydn war nämlich in natura eher hässlich. Den zeitgenössischen Künstlern blieb somit nichts anderes übrig, als zu schmeicheln, zu glätten, zu schönen)

    Beethoven war von Pockennarben übersät
    (http://www.dw.de/beethoven-in-gesellschaft-und-freundeskreis/a-15367838
    Weit entfernt von dieser idealisierten Darstellung dürfte das eigentliche Erscheinungsbild des Komponisten gewesen sein, so Dr. Michael Ladenburger, der Kustos des Beethovenhauses, in einem Interview für die DW: „Beethoven war ein nur ein Meter sechzig großer, hässlicher, oft auch ungepflegter, von Pockennarben im Gesicht übersäter Mensch, aber mit einem hohen Charisma. Und deswegen von einer hohen Attraktivität auch für die Weiblichkeit.“

    Auch Mozart war nicht schön.
    http://bazonline.ch/kultur/klassik/Kleinwuechsig-unansehnlich-fast-haesslich/story/30016397
    Pockennarben, fleischige Nase, kleines Kinn, später ein Doppelkinn, meist käsige Hautfarbe, leichtes Schielen nach innen. Gerade Letzteres weise ich exakt nach. Mozart litt als Ästhet extrem darunter, unterschrieb gallig als: Mozart, corpore parvus – von armer, erbärmlicher Gestalt.

    Goethe hatte auch seine Pockennarben
    http://www.fr-online.de/wissenschaft/goethe-portraet-echt-bis-in-die-pockennarben,1472788,3273790.html
    Unter allen Goethe-Darstellungen kann nach Abschluss jüngster Forschungen nur ein einziges Porträt als lebensecht gelten. Dies sei die sogenannte Weißer-Büste, die 1808 nach einer zuvor entstandenen „Lebendmaske“ des Dichters entstanden ist, sagte der Mönchengladbacher Mediziner und Physiognomie-Experte Prof. Michael Hertl am Dienstag in Düsseldorf. Die in zwei Exemplaren in den Goethe-Museen von Weimar und Düsseldorf gezeigte Büste ist von dem Bildhauer Carl Gottlob Weißer (1780-1815) geschaffen worden und stellt den reifen, 58-jährigen Goethe genau „bis in die Pockennarben“ dar, sagte Hertl.

Kommentare sind geschlossen.