Harun Yahya – Kreationismus, Allah und Kekse

kreationistischer Vortrag im Austria Center

Das Interesse am Vortrag der KreationistInnen hält sich in Grenzen.

„Es gibt keine Evolution“, poltert der Redner vor einem überschaubaren Publikum im Saal K des Austria Center in Wien. Nur etwa 60 Personen haben es aller Werbung und dem prominenten Abhaltungsort zum Trotz zum Vortrag geschafft. „Die Evolutionstheorie, Die Wissenschaft von gestern, ein Irrtum von heute“ lautet der Titel der Veranstaltung mit der Personen aus dem Umfeld des türkischen Kreationisten Harun Yahya gegen die zentrale Theorie der Biologie Stimmung machen möchten.

Inhaltlich wird den Anwesenden wenig Neues dargeboten. Viele sind ohnedies angereiste AnhängerInnen Harun Yahyas oder sie sind – wie wir – nur gekommen, weil hier etwas geboten wird, was man normalerweise nur in den Gemeindehäusern evangelikaler Extremisten im Mittelwesten der USA bekommen kann: Kreationismus ohne das Deckmäntelchen des Intelligent Design.

Ein Bericht zum kreationistischen Vortrag am 23. März in Wien, von Dieter Ratz

Harun Yahya ist nur ein Pseudonym. Dahinter steht der 57-jährige islamische Prediger Adnan Oktar aus Ankara. Seine zahllosen Bücher (es sollen bereits über 300 sein) erscheinen oft im Abstand weniger Monate und sind inhaltlich, wohl auch deswegen, von außerordentlich niedriger Qualität. Sie bestehen zu einem Gutteil aus Bildern und laienhaften Erklärungen des jeweiligen Sachverhalts. Obwohl sich viele mit biologischen, medizinischen („Das Wunder des werdenden Menschen“) oder chemischen Themen befassen, hat Adnan Oktar keinerlei naturwissenschaftlichen Hintergrund. Er begann ein Studium als Innenarchitekt, das er jedoch nicht abschloss. Als Prediger gelangte er dann in der Türkei zu einiger Bekanntheit und wird von seinen AnhängerInnen derzeit schlicht als „Intellektueller“ bezeichnet.

Neben seinem von kreationistischen Diskursen in den USA inspirierten Engagement gegen die Naturwissenschaften und speziell die Evolutionstheorie befinden sich unter seinen Publikationen auch solche die den Islam von der Verantwortung für Terror und Menschenrechtsverletzungen freizusprechen versuchen. In seinem 2002 im islamischen Okusan Verlag erschienenen Buch „Der Islam verurteilt den Terrorismus“ wird der „Darwinismus und Materialismus“ unter anderem für Kommunismus, Nationalsozialismus und Terrorismus verantwortlich gemacht (S. 124 ff). In „Die Unvernunft der Gottlosigkeit“ geißelt er den Atheismus und in „Materie, ein anderer Name für Illusion“ bekommt man neben einer Flut schlechter Fotos und abgedruckten Filmausschnitten aus der „Matrix“, eine Mischung aus philosophischen Allgemeinplätzen und oberflächlichen Beschreibungen der menschlichen Sinne serviert. Die Conclusio: Die Welt ist eine Illusion, nur Allah ist real. Auch hier operiert Harun Yahya sichtbar ohne tiefere Sachkenntnis und bedient sich einer wissenschaftlichen Sprache lediglich um an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Er und seine Bücher sind ein Paradebeispiel pseudowissenschaftlicher Argumentation. Laut eigenen Angaben werden die Aktivitäten Harun Yahyas aus dem Verkauf der Bücher finanziert. Die Bücher werden jedoch häufig und im großem Stil gratis verteilt, verkaufen sich bei den großen Onlinebuchhändlern schlecht und können zum Großteil gratis heruntergeladen werden. Weitere private Geldgeber sind somit wahrscheinlich. Darüber hinaus war in der Vergangenheit auch ein Gerichtsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen Adnan Oktar anhängig.

Adnan Oktar vertritt auch antisemitische Standpunkte. So werden im Buch „Das Grauen des Holocaust“, das auf harunyahya.de kostenlos zum Download angeboten wird, die Juden (oder wie es im Buch cheffriert wird „manche Zionisten“) der Zusammenarbeit mit den Nazis bezichtigt. Auch hier findet man wenig mehr als den revisionistischen Klassiker der Juden, die an ihrer Verfolgung und Ermordung letztlich selbst schuld sind. Antisemitismus wird kontextbefreit als „Semitenfeindlichkeit“ übersetzt und es wird festgestellt, „dass die als Antisemitismus bekannte Ideologie eine heidnische Lehre ist, die ohnehin von keinem Muslim angenommen werden kann.“ Frühere noch extremere Äußerungen gegen „Juden und Freimaurer“ brauchten Oktar 1986 sogar für 19 Monate ins Gefängnis. Ein Buch mit dem Namen „Die Holocaust Lüge“ wird – wohl auch aus rechtlichen Gründen – nicht mehr vertrieben.

Harun Yahya selbst ist im Austria Center nicht anwesend. Trotzdem geht es unter häufigem Hinweis auf ihn ohne Umschweife zur Sache. Es geht um Dinosaurier, die Entstehung von Arten und natürlich viel um Allah. Ganz im Stil seiner Bücher wird ein alter Hut des Kreationismus nach dem anderen aus der Mottenkiste geholt.

„Kann ein Wirbelsturm auf einem Schrottplatz durch Zufall ein Flugzeug konstruieren?“, wird wieder einmal Fred Hoyle bemüht. Nein, natürlich nicht. Dass auch kein Biologe oder Chemiker behauptet, dass sich komplexes Leben durch Zufall und schlagartig in einer anorganischen Lösung bilden kann, spielt keine Rolle. Statt an den soliden Türen tatsächlicher wissenschaftlicher Forschung zu rütteln, rennt man lieber die offenen ein, die man durch Strohmannargumente erst selbst geschaffen hat.

Weiter geht es mit tiefen Einblicken in die Enzym-Substrat Wechselwirkung. Wer etwas über statistische Docking Modelle oder Proteinfaltung erwartet hat, wird enttäuscht. Enzyme können ihr Substrat im menschlichen Körper nur durch die Hand Allahs finden. „In uns ist es dunkel, die sehen ja nichts“, doziert der Vortragende. Ich bin nicht sicher, ob er sein Publikum für dumm hält, und deswegen derartige Bildsprache bemüht, oder ob es tatsächlich seinen Vorstellungen von den Abläufen auf molekularer Ebene entspricht.

Niemand könne auch nur ein einziges Beispiel für eine adaptive Mutation nennen, wird behauptet. KritikerInnen im Publikum nennen Beispiele. Die Antworten sind ausschweifend und inhaltlich erschütternd schwach. Die Anhängerschaft stört es kaum, auch die Stimmung bleibt gelassen und an der Oberfläche professionell. Ihre NLP-Kurse dürften die MitarbeiterInnen Adnan Oktars immer gewissenhaft besucht haben.

Nur Augenblicke später sind wir auch schon beim menschlichen Sehorgan und seiner „irreducible complexity“ angelangt. Das Auge, das schon Darwin fasziniert hatte, wird wieder einmal als Beweis für einen göttlichen Plan herangezogen. Es sei zu komplex um sich evolutionär entwickelt zu haben. Prompt werden auch Darwin und Dawkins dabei aus dem Kontext zitiert. Letzterer hat sich zu dem Thema häufig und gut verständlich geäußert. Sowohl in den rezenten Arten wie auch im Fossilbefund gibt es unzählige Abstufungen in der Komplexität des Sehsinns; von einfachster Phototaxis in Einzellern bis zu den Augen der Säugetiere, Fische und Insekten. Von Bedeutung ist das hier nicht. Was nicht ins Bild passt, darf nicht sein.

Wir verlassen den Vortrag, der auf 5 Stunden angesetzt ist, vorzeitig. Draußen gibt es Infostände und ein Buffet. Zwei der zuvor in Erscheinung getretenen KritikerInnen outen sich als missionierende evangelische Christen und schenken uns das Neue Testament. Unweigerlich möchte man an den Tümpel denken in dem unsere lurchartigen Vorfahren um die knappen Nahrungsreservoirs konkurriert haben mögen. Weltanschaulich besetzen sowohl wir als auch die Christen im Austria Center eine eher karge Nische. Hungern müssen wir aber nicht. Alle sind freundlich, wir bekommen Kaffee und ein halbes Dutzend Bücher. Ein weiteres Mal stellt sich die Frage nach der Finanzierung. Am Ende gibt es noch Sesamkekse. Sie sind ausgezeichnet. Den bitteren Nachgeschmack einer Veranstaltung gegen jede Vernunft können sie nicht überdecken.

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2 Antworten zu Harun Yahya – Kreationismus, Allah und Kekse

  1. Die „Bildzeitung der Antike“, das „neue Testament“ der Bibel (die Bildzeitung möge mir verzeihen), beinhaltet nur noch gegenständlich-naive Fälschungen der originalen Gleichnisse des genialen Propheten Jesus von Nazareth. Beispiel:

    (NHC II,2,16) Jesus sagte: Vielleicht denken die Menschen, daß ich gekommen bin, um Frieden auf die Welt zu werfen, und sie wissen nicht, daß ich gekommen bin, um Spaltungen auf die Erde zu werfen, Feuer, Schwert, Krieg. Es werden nämlich fünf in einem Hause sein. Drei werden gegen zwei und zwei gegen drei sein, der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater. Und sie werden als Einzelne dastehen.

    (Lukas 12,51-53) Meint ihr, daß ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf Erden? Ich sage: Nein, sondern Zwietracht. Denn von nun an werden fünf in einem Hause uneins sein, drei gegen zwei und zwei gegen drei. Es wird der Vater gegen den Sohn sein und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen die Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.

    Was hier das Original und was die gegenständlich-naive Fälschung ist (der Grad der Naivität ist nach der „Auferstehung aus dem geistigen Tod der Religion“ geradezu unfassbar), sollte auch demjenigen auffallen, der noch gar nicht weiß, worum es geht. Denn abgesehen davon, dass Vater + Sohn + Mutter + Tochter + Schwiegermutter + Schwiegertochter bereits sechs Personen ergeben und nicht fünf (möglicherweise war der Evangeliendichter Lukas der Ansicht, das „uneins“ noch hinzuzählen zu müssen), könnte man bei unvoreingenommener Betrachtung der Fälschung zu dem Schluss kommen, dass Jesus offenbar ein Wahnsinniger war, was auch die „heilige katholische Kirche“ bestreiten dürfte.

    Auch geht es hier nicht um natürliche Personen in einem Wohnhaus und schon gar nicht um eine Mutter, eine Tochter, eine Schwiegermutter und eine Schwiegertochter, sondern um Grundprinzipien des menschlichen Zusammenlebens in einer arbeitsteiligen Zivilisation.

    (NHC II,2,108) Jesus sagte: Wer von meinem Mund trinken wird, wird werden wie ich; ich selbst werde er werden, und die verborgenen Dinge werden sich ihm offenbaren.

    Jüngstes Gericht

    • cubic sagt:

      was genau haben diese ausführungen mit dem bericht vom vortrag der kreationisten zu tun? scheint mir ein wenig off topic.

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