Papst Benedikt XVI dankt ab

Mit dem Amtsverzicht des letzten Papstes wäre es angebracht seine Karriere zu reflektieren. Sich dabei allein auf sein Wirken während des Pontifikats zu beschränken ist natürlich sinnlos, da es sein Handeln davor war, das zu seiner Wahl geführt hat. Wie es sich für einen vernünftigen und konservativen Papst auch gehört, hat sich in seinen Anschauungen seit seiner Wahl nicht viel geändert. Beginnen möchte ich daher mit einem Zitat aus seiner früheren Karriere:

„Nur in der Kirche ist es möglich, Christ zu sein, und nicht am Rande der Kirche.“
Vortrag vor der Bayerischen Akademie, „Warum ich noch in der Kirche bin“, 1971.

Bei Aussagen wie dem „Papstzitat von Regensburg“ behaupteten seine Anhänger es wäre eine wohlüberlegte, mit subtilem Signal des Respekts an die orthodoxe Kirche (http://de.wikipedia.org/wiki/Papstzitat_von_Regensburg#Analysen), geschmückte Rede. Am Rande der Kirche kann man also kein Christ sein. Als Nachfolger von Jesus und damit Oberhaupt der Kirche, ist der Papst die Kirche. Christ ist man also nur, wenn man dem Papst folgt.

Was war nun also das Christentum unter Joseph Ratzinger?

Wer abtreibt, wird laut Codex des Kanonischen Rechts exkommuniziert (http://www.vatican.va/archive/ENG1104/__P57.HTM). Weiters wird gelehrt, dass jede Form der Verhütung gleich einer Abtreibung und damit Mord ist. Das Verwenden von Kondomen oder der Pille führt laut Kanonischem Gesetz also zur Exkommunikation. Laut einer Studie des Guttmacher Institute (http://www.politifact.com/truth-o-meter/statements/2012/feb/06/cecilia-munoz/white-house-official-says-98-catholic-women-have-u/) haben 98% sexuell aktiver katholische Frauen in den USA Verhütungsmittel verwendet. Laut Kanonischem Gesetz sollte das die Anzahl der katholischen Frauen in den USA drastisch reduzieren, was es aber aus unerfindlichen Gründen nicht tut. So hat er natürlich auch Kondome zur Bekämpfung von HIV in Afrika verboten und Frauen die sich an ihren Männern infizierten als Märtyrer bezeichnet.
Hier wird also Frauenfeindlichkeit ganz nach mittelalterlichem Vorbild praktiziert. Später hat er diese Aussagen relativiert und Kondome teilweise erlaubt: Um HIV-Infektionen vorzubeugen und für männliche Prostituierte (http://www.magda.de/grosse-enttaeuschung-benedikt/?type=98).

Dies bringt uns zum nächsten Punkt : Die Ansichten von Joseph Ratzinger zur Homosexualität. Wie David Berger erzählt (http://www.youtube.com/watch?v=b1xb945z3xw) gab es noch nie in der Geschichte des Vatikan einen dermaßen homosexuellen-feindlichen Papst. Allerdings fügt er hinzu, dass gerade diese extreme Homophobie, die schon wie eine panische Angst vor Schwulen anmutet, ein Hinweis auf seine unterdrückte sexuelle Neigung sein könnte. In der reinen Männergesellschaft im Vatikan sollte das aber kaum ein Problem darstellen. Seit wenigen Tagen kursieren auch Gerüchte von Schwulen-Netzwerken im Vatikan (http://derstandard.at/1361240872343/Berichte-ueber-Schwulen-Netzwerk-im-Vatikan). Dabei wird auch immer wieder angedeutet, dass diese etwas mit dem Amtsverzicht von Ratzinger zu tun haben könnten, der sich Bischöfe erpressbar gemacht haben soll. Interessant ist dabei auch, dass (zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Textes) noch keine Stellungnahme seitens des Vatikans veröffentlicht
wurde.

Vor seinem Pontifikat war Ratzinger Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, die früher auch als Inquisition bekannt war. Als Präfekt war eine seiner Amtshandlungen ein geheimes Dokument (Crimen Sollicitationis) zu bestätigen. Das Dokument enthält eine Weisung, die den Umgang mit Missbrauchsfällen beschreibt (hier in einer englischen Übersetzung: http://image.guardian.co.uk/sys-files/Observer/documents/2003/08/16/Criminales.pdf). Es ist die Rede von gegenseitiger (zwischen Täter und Opfer) Geheimhaltung und Stillschweigen. Vertreter der Kirche meinen dazu, dass es eine schlechte Übersetzung sei und die Geheimhaltung zum Schutz der Opfer diene. Außerdem gelte auch für die Beschuldigten Priester die Unschuldsvermutung, weshalb man auch deren Identitäten schützen müsse. Im Text sei außerdem kein Verbot enthalten, Anzeige gegen Täter zu erstatten. In der Praxis ist es nur leider so, dass die Priester anstatt der Opfer geschützt werden. Werden Fälle bekannt, wird mit den Opfern ein Übereinkommen getroffen, wobei den Opfern üblicherweise auch Geld angeboten wird um ihr Stillschweigen zu garantieren. Die Täter werden dann ohne offizielle Angabe von Gründen versetzt und setzten ihre kriminelle Aktivitäten meist fort.
Viele von ihnen werden in manchen Ländern polizeilich gesucht und verstecken sich im Vatikan vor dem Gesetz (http://www.bishop-accountability.org/news/2004_09_12_Dunklin_InThe.htm). Die Missbrauchsfälle sind der Kirche bekannt, da diese, nach internem Bekanntwerden, kirchenintern an eine bestimmte Stelle gemeldet werden müssen.
Von 1. März 1982 bis zu seiner Wahl am 19. April 2005 war Joseph Ratzinger Präfekt eben dieser Stelle. Er war also mit allen Missbrauchsfällen während dieser Zeit vertraut (http://www.welt.de/politik/deutschland/article6882971/Ratzinger-soll-Missbrauch-geheimgehalten-haben.html ;http://www.reimbibel.de/B16.htm). Es gibt zwar Hinweise darauf, dass er während dieser Zeit versucht hat, eine Ermittlung gegen Hermann Groer einzuleiten, diese aber von Angelo Sodano verhindert wurde, indem er zum Beispiel die gemeldeten Fälle als „Geschwätz“ abgetan hat (http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/chronik/missbrauch/2350232/schoenborn-uebt-scharfe-kritik-sodano.story). Doch da Ratzinger als Papst keinerlei Schritte in Richtung Aufklärung und Transparenz gesetzt hat, liegt es wohl nahe, dass auch er diese Angelegenheiten lieber geheim halten wollte. Es scheint innerhalb der Kirche eine geistige Haltung vorzuherrschen, nach der der Ruf der Kirche um jeden Preis geschützt werden muss, weil die Kirche nun mal das wichtigste im Leben und auf der Welt ist. Dabei vergisst man nur allzu schnell auf das Wohl der Opfer, die doch eigentlich auch Teil der Kirche sind. Manche gehen sogar noch einen Schritt weiter und tun gemeldete Fälle als Lächerlichkeiten ab oder beschuldigen gar die Opfer. Ein extremes Beispiel hierfür wäre Bischof Mixa, der der „freien Liebe“ in den 60er Jahren die Schuld für Kindesmissbrauch in der Kirche gibt (http://www.spiegel.de/panorama/katholische-kirche-bischof-mixa-gibt-sexueller-revolution-mitschuld-an-missbrauchsfaellen-a-678203.html). Für weitere Informationen kann ich noch auf zwei Dokumentarfilme zum Thema Missbrauch in der Kirche verweisen:
– Sex Crimes and the Vatican: http://www.youtube.com/watch?v=MwOV8QF9d88
– Mea Maxima Culpa: http://en.wikipedia.org/wiki/Mea_Maxima_Culpa:_Silence_in_the_House_of_God

So gut das Crimen Sollicitationis auch gemeint sein mag, muss man es trotz allem anhand der Praxis beurteilen. Schließlich zählt nicht der Wille, sondern wie er verwirklicht wird. Und die Handhabung der auftretenden Missbrauchsfälle spricht eine deutliche Sprache und zeichnet ein düsteres Bild von einem tiefsitzenden, moralischen Versagen der Kirche. Mit der Kirche hat somit auch Joseph Ratzinger, als Papst, ein moralisches Versagen gezeigt. Wenn aber der Vertreter Gottes auf Erden und Nachfolger von Jesus, in seiner Unfehlbarkeit ein moralisches Versagen derartigen Ausmaßes an den Tag legen kann, was sagt das dann über die Moral des christlichen Gottes aus?

Siehe auch:
– Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt: http://www.betroffen.at/
– Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien: http://www.kirchen-privilegien.at/
– Sexueller Missbrauch der Kirchen in Österreich: http://www.kirchen-privilegien.at/kirchen-privilegien/sexueller-missbrauch

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