Gott und das Geld – Der Templeton-Prize

Der Preisträger des Templeton-Prize 2012 ist Tendzin Gyatsho, der aktuelle Dalai Lama. Damit wurde die einzigartige Sammlung religiöser FundamentalistInnen und religionsaffiner WissenschaftlerInnen, die die Liste der bisherigen PreisträgerInnen darstellt, um einen weiteren Obskuranten verlängert.

von Dieter Ratz

Der Dalai Lama, so die Templeton-Stiftung in der Preisbegründung habe sich um die Verbindung von Wissenschaft und Buddhismus verdient gemacht. Im O-Ton: „For decades, Tenzin Gyatso, 76, the 14th Dalai Lama […] has vigorously focused on the connections between the investigative traditions of science and Buddhism as a way to better understand and advance what both disciplines might offer the world.“ Inwiefern das von Geisterkult, Orakeln und Omen geprägte mittelalterliche Weltbild des Dalai Lama Verbindungen zu wissenschaftlicher Forschung aufweist oder was der Vertreter der gestürzten lamaistischen Diktatur in Tibet sonst zum wissenschaftlichen Diskurs beigetragen haben könnte, ist der Begründung der Templeton-Stiftung nicht zu entnehmen.

Ein Blick in die Geschichte des Preises lässt derartige Vergabepraxis klarer werden: Der vom britischen Spekulanten und Multimilliardär Sir John Templeton, einem „enthusiastischen Christen“, 1972 gestiftete Preis ist mit 1 Mio. Pfund (etwa 1,2 Mio. Euro) die höchstdotierte Auszeichnung die weltweit an Einzelpersonen verliehen wird. Selbst der Nobelpreis ist mit 10 Mio. schwedischen Kronen (1,1 Mio. Euro) pro Kategorie noch etwas weniger lukrativ. Der umstrittene Preis wird seit 1973 an Menschen vergeben die sich – so die Eigendefinition – um die „spirituelle Dimension des Lebens“ verdient gemacht haben.

In den 70er-Jahren waren die PreisträgerInnen nach Mutter Theresa (1973) noch ausnahmslos Personen die sich direkt um die Religion bemüht hatten. Dazu gehörten Funktionäre der katholischen Kirche, GründerInnen diverser religiöser Sekten und Organisationen und der indische Staatspräsident Sarvepalli Radhakrishnan der allerdings zuvor 16 Jahre als Professor für östliche Religionen in Oxford tätig war und unter anderem für seine Beiträge zum „religiösen Erbe“ Indiens ausgezeichnet wurde.

In den 80er-Jahren wurden neben einigen Anderen weitere Theologen und deklarierte religiöse Fundamentalisten geehrt. So beispielsweise 1982 der rechtskonservative Baptistenprediger Billy Graham der sich durch Endzeitprognosen und aggressive Agitation gegen Homosexuelle, gegen Abtreibung und andere übliche Feindbilder der religiösen Rechten in den USA einen Namen gemacht hatte. Antisemitische Ausfälle in der Nixon Ära runden das Profil dieses honorigen Preisträgers ab.

Der Templeton-Prize konnte bis dahin als Vehikel zum Sponsoring religiöser AktivistInnen eingeordnet werden wäre nicht seit Mitte der 80er-Jahre  der Trend zu erkennen den Preis gezielt an WissenschaftlerInnen zu vergeben. Vorzugsweise natürlich an solche, die sich explizit positiv zur Religion geäußert haben. Den Anfang machte 1985 der Meeresbiologe Alister Hardy. Ihm folgten Leute wie der Biologe Charles Birch (1990) oder der Physiker John Barrow (2006). Auch die Vergabe im Vorjahr an den Physiker Martin Rees wurde kritisiert.  Dessen Spekulationen über göttliches Wirken im Universum hatten ihn als Preisträger attraktiv gemacht. Rees hatte sich auch durch seine Kritik an Stephen Hawkins‘ und Richard Dawkins‘ Ablehnung der Religion auf die richtige Seite gestellt. Er bestätigte damit die schon Jahre zuvor geäußerte Kritik des Evolutionsbiologen und Atheisten Richard Dawkins der Preis ginge heute vorwiegend an „scientist[s] who [are] prepared to say something nice about religion“.

Die Vorgehensweise der Templeton Foundation ist kein Zufall sondern passt zur Strategie religiöser und esoterischer AktivistInnen gegen wissenschaftliche Kritik an Glaubensinhalten. So wird versucht weithin akzeptierte wissenschaftliche Theorien und Methoden (Erdalter, Erdentstehung, Evolution, …) zu relativieren und als „eine Position von vielen“ darzustellen. Man erzeugt medial den Eindruck einer offenen Diskussion und unterschlägt, dass es sich bei diesen „alternativen“ Theorien um absolute Außenseiterpositionen handelt die in der Regel nur von einigen wenigen ideologisch motivierten VertreterInnen des jeweiligen Fachgebiets unterstützt, von der Mehrzahl der KollegInnen auf Grund ihrer Unsinnigkeit aber ignoriert oder aktiv abgelehnt werden. Ein bekanntes Beispiel für einen solchen „Alibi-Wissenschaftler“ ist der deutsche Biophysiker und „Biophotonen“-Esoteriker Fritz-Albert Popp der immer wieder (zuletzt 2010 im Film von P.A. Straubinger „Am Anfang war das Licht“) als renommierter Wissenschaftler zitiert wird, tatsächlich aber in diesem Bereich kaum Anerkennung findet und primär spekulative populärwissenschaftliche Literatur publiziert. Das Phänomen ist nicht auf die Naturwissenschaften beschränkt und findet sich auch in der Geschichtsforschung oder den Sozialwissenschaften.

Mit dieser Relativierung einhergehend wird versucht die Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Arbeit und religiösem Glauben zu postulieren. Obwohl Befragungen immer wieder zeigen, dass ein Großteil der im naturwissenschaftlichen Bereich tätigen Menschen nicht religiös ist und nur eine kleine Minderheit den klassischen theistischen Gottesvorstellungen anhängt, soll über das präsentieren von einzelnen religiösen WissenschaftlerInnen der Eindruck erweckt werden, Religion und Wissenschaft seinen kein Widerspruch sondern im Gegenteil geradezu notwendige Bestandteile einer „ganzheitlichen“ Betrachtungsweise. Dass dem nicht so ist zeigen die Religiösen selbst die sich häufig in einer Grundsatzopposition zu wissenschaftlichen Erkenntnissen wiederfinden und wie zuvor erwähnt obskure Alternativerklärungen zu anerkannten und gut abgesicherten Theorien bewerben. Offenbar sind das Faktum, dass sich Leben als Produkt chemischer Evolution ohne höheren Sinn bildete und die Vorstellung, dass es durch göttliche Schöpfung und mit göttlichem Auftrag irgendwann vor 6000 Jahren aus der Wiege gehoben wurde, doch nicht so ohne weiteres in Einklang zu bringen.

Der Chemie-Nobelpreisträger Harry Kroto formulierte es im April 2011 gegenüber dem Guardian noch treffender: „There is no problem, with a million-quid lure to hook a few eminent scientists, to say that they personally see no conflict between science and religion, but they are suffering from a form of intellectual schizophrenia.“

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